Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals
steckten, sondern alt und aus Pappe. Gespannt hob sie den Deckel an.
Die Kamee war fast so lang wie ihr Daumen und fast zweimal so breit. Alt und anmutig lag sie auf verblasstem Seidenpapier. Ein sanftes Profil mit stolzem Ausdruck.
»Sie passt zu dir«, sagte Daniel leise. »Das erwähnte ich schon einmal.«
»Sie hat deiner Großmutter gehört«, erinnerte sie sich. Gerührt strich sie mit der Fingerspitze darüber. »Sie ist wunderschön.« Es fiel ihr schwer, den Deckel wieder zu schließen. »Daniel, du weißt, dass ich sie nicht nehmen kann.«
»Nein, das weiß ich nicht.« Er nahm ihr die Schachtel ab, öffnete sie und nahm die Kamee an ihrem samtenen Band heraus. »Ich möchte sie dir anlegen.«
Fast spürte sie schon seine Finger in ihrem Nacken. »Ich sollte kein Geschenk von dir annehmen.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Sag nicht, dass dich das Gerede schert, Anna. Würdest du sonst Medizin studieren?«
Natürlich hatte er recht, aber sie wollte fest bleiben. »Es ist ein Erbstück, Daniel. Es wäre nicht richtig.«
»Es ist mein Erbstück, und ich will es nicht länger in einer Schachtel verschlossen halten. Meine Großmutter würde wollen, dass eine Frau das Stück trägt, die es auch zu schätzen weiß.« Er legte ihr die Kamee um, und sie schmiegte sich an ihre Haut, als wäre sie für Anna geschaffen. »Dort gehört es hin.«
Sie konnte nicht widerstehen, sie tastete danach. Alle Vernunft war längst verschwunden. »Danke. Sagen wir einfach, ich hebe es für dich auf. Wenn du es zurückhaben willst …«
»Verdirb nicht den Moment.« Er legte eine Hand unter ihr Kinn. »Ich wollte sehen, wie du sie trägst.«
Es war unmöglich, das Lächeln zurückzuhalten. »Und du bekommst immer, was du willst?«
»Genau.« Sehr zufrieden mit sich strich er mit dem Daumen über ihre Wange und ließ dann die Hand sinken. »Möchtest du etwas trinken? Einen Sherry?«
»Lieber nicht.«
»Keinen Drink?«
»Keinen Sherry. Hast du noch etwas anderes?«
Er spürte, wie die Nervosität von ihm abfiel. »Ich lasse mir von einem Freund in Edinburgh erstklassigen Scotch schicken. Schmuggelware, wenn du so willst.«
Sie rümpfte die Nase. »Der schmeckt wie Seife.«
»Seife?« Er sah so verblüfft aus, dass sie lachte.
»Nimm es nicht persönlich.«
»Probier ihn einfach«, meinte er und ging zur Bar. »Seife«, murmelte er, während er ihr das Getränk einschenkte. »Das ist nicht der Fusel, den du auf deinen feinen Bostoner Partys bekommst.«
Je länger sie ihn kannte, desto liebenswerter wurde er. Wie von selbst tastete Anna nach der Kamee. Sie atmete tief durch und erinnerte sich daran, dass sie die Zügel in der Hand hatte. Kontrolle. Als er ihr ein Glas reichte, betrachtete sie den Inhalt. Sehr dunkel, dachte sie, und vermutlich so tödlich wie die Schwerter an der Wand. »Kein Eis?«
»Nie.« Er leerte sein Glas und sah sie herausfordernd an. Anna holte tief Luft und nippte an ihrem Scotch.
Warm, weich und kräftig. Mit gerunzelter Stirn nippte sie erneut. »Nein, der schmeckt wirklich nicht wie Seife. Im Gegenteil, er schmeckt ganz ausgezeichnet«, gestand sie und gab ihm das Glas zurück. »Wenn ich allerdings mehr davon trinke, kann ich nicht mehr stehen.«
»Dann musst du etwas essen.«
Sie warf ihr Haar zurück und reichte ihm ihre Hand. »Wenn das deine Art ist, mir zu sagen, dass das Essen angerichtet ist, nehme ich die Einladung gerne an.«
Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Du wirst nicht viele charmante Schmeicheleien von mir zu hören bekommen, Anna. Ich habe nie allzu großen Wert auf geschliffene Manieren gelegt. Und habe auch nicht vor, sie mir anzueignen.«
Das Haar lag ihm in weichen Wellen um sein Gesicht, ungezähmt und abenteuerlich. Der Bart ließ ihn verwegen aussehen, wie die Krieger, deren Blut in ihm floss. »Nein, das solltest du auch nicht.«
Nein, er war nicht geschliffen, aber er umgab sich gern mit schönen Dingen. Nicht die feinen, dezenten Dinge, an die Anna so gewöhnt war, sondern es war eine kraftvolle, wagemutige Schönheit, die einen packte und überwältigte. Im Esszimmer hingen ein Schild und ein Speer an der Wand. Darunter stand eine Chippendale-Vitrine, um die ihn jeder Antiquitätensammler beneidet hätte. Der Tisch war massiv, und darauf stand das feinste Porzellan, das Anna je gesehen hatte. Sie setzte sich auf einen Stuhl, der in eine mittelalterliche Burg gepasst hätte, und stellte erstaunt fest, wie entspannt sie sich fühlte.
Das Licht der
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