Die Macht der Angst (German Edition)
Stimme wollte ihm nicht gehorchen. Der Gedanke, dass Edie ihn nun hasste, nach dem, was er zu ihr gesagt hatte, machte seinen Kehlkopf hart wie einen Diamanten. »Was tust du hier draußen?«, presste er schließlich hervor.
»Ich wollte pinkeln gehen«, lautete Tonys lakonische Antwort.
Kev zog die Brauen hoch. »In Aaros Haus gibt es eine Toilette. Zumindest war sie noch da, als ich zuletzt nachgesehen habe.«
»Werd bloß nicht frech.« Tony sah ihn aus schmalen Augen abwägend an. »Ich dachte, du wärst drinnen, bei deiner Freundin, um die Zeit möglichst gut zu nutzen. Was tust du hier draußen in der Kälte?«
Kev räusperte sich, um den Worten den Weg zu ebnen. »Sie ist nicht meine Freundin.«
Tony blinzelte. »Was zur Hölle? Du bist bis über beide Ohren in sie verschossen.«
»Sie entgeht immer wieder ganz knapp dem Tod. Und jetzt sieht sie auch noch einer Gefängnisstrafe entgegen, sollten sie Parrishs Ermordung mir anlasten. Ich bin schlecht für ihre Gesundheit. Und für ihren Ruf.«
Tony kreuzte die Arme vor der Brust. »Was denkt sie darüber?«
Kev ließ den Blick über den Canyon schweifen. »Das spielt keine Rolle«, erwiderte er. »Meine Entscheidung steht fest.«
Tony hustete. »Du hast nicht viel Erfahrung mit Frauen, mein Junge.«
Kev quittierte das mit einem Schnauben. Als bräuchte er Rat von Tony Ranieri. Jede Frau, mit der Tony je zusammen gewesen war, hasste ihn abgrundtief.
»Solltest du nicht drinnen sein und ein bisschen schlafen?«, fragte er.
»Es ist schwer, in dem Haus Schlaf zu finden. Die Temperatur ist unter null.«
»Es muss auf jeden Fall wärmer sein als hier draußen.«
»Ich spreche von deinen Brüdern. Sie halten mich für den letzten Abschaum, weil ich die letzten Jahre auf dir draufgesessen bin. Wie eine verfluchte Henne.«
Kev zuckte die Achseln. »Tja, es ist, wie es ist. Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern.«
Tony rauchte wortlos. Kev, der die gespannte Erwartung in seinem Schweigen spürte, wandte den Kopf und schaute ihn an.
»Nur, damit wir dieselbe Sprache sprechen«, sagte Kev. »Du willst von mir hören, dass alles in perfekter Ordnung ist? Dass ich verstehe?«
Tonys Nasenflügel bebten. »Ich hatte meine verdammten Gründe für das, was ich getan habe.«
Genau. Wie beispielsweise von unbezahlter Sklavenarbeit zu profitieren, und das zwölf Stunden am Tag, zehn Jahre lang. »Bestimmt hattest du die, Tony«, antwortete er säuerlich.
»Du kannst mir nicht erzählen, dass Osterman nicht auf dich aufmerksam geworden wäre, wenn ich mich auf die Suche nach diesen McClouds gemacht hätte. Du warst damals kaum mehr als ein sabbernder Spasti«, knurrte sein Ziehonkel. »Sie hätten Jagd auf euch alle vier gemacht! Du wärst am Arsch gewesen, Junge!«
»Kann sein«, meinte Kev. »Es ist aber genauso gut möglich, dass wir diesen Satan damals, vor achtzehn Jahren, zur Strecke gebracht und der Sache ein Ende bereitet hätten. Bevor er Dutzende unschuldige Jugendliche ermorden oder ihnen Gehirnschäden zufügen konnte.«
»Daran gibst du mir nun auch noch die Schuld?« Tony zog den Kopf zwischen die Schultern.
»Ich sage nur, dass wir es nicht wissen können. Darum lass die Mutmaßungen und Rechtfertigungen. Das ist reine Zeitverschwendung. Was geschehen ist, ist geschehen.«
»Du bist ein selbstgerechter Sturkopf.« Tony kniff die Kippe zusammen und zog ein letztes Mal daran. »Du findest, ich habe total bei dir versagt, richtig?«
Oje. Tony erging sich in Selbstquälerei. Kev seufzte und beobachtete, wie seine Atemwolken sich kringelten. »Nein«, sagte er erschöpft.
»Du meinst, ich hätte dich für zweihundert Eier die Stunde von Spezialisten behandeln lassen sollen? Vielleicht ein bisschen Crack verticken, um dafür aufzukommen? Du denkst, ich hätte ein paar knackige Sozialarbeiterinnen an den Start bringen sollen, damit sie dich umsorgen und bemitleiden? Dir einen runterholen?«
»Nein, Tony«, sagte er tonlos.
»Oder das nötige Kleingeld für eine private Sprachtherapie berappen? Ich musste mich verdammt noch eins auch noch um Bruno kümmern! Niemand hat mir je auch nur einen verfluchten Cent gegeben, um für den Unterhalt des Jungen aufzukommen, und du erwartest von mir –«
»Ich habe überhaupt nichts erwartet, Tony. Du hättest mich in diesem Lagerhaus verrecken lassen können, wenn dir danach gewesen wäre. Es war deine Entscheidung.«
Tony hustete rachitisch und spuckte über die Klippe. »Also bin ich ein eiskalter,
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