Die Macht der ewigen Liebe
verloren. Im Kopf ging ich alle Szenarien durch, versuchte herauszufinden, was ich anders hätte machen müssen, um Erin zu retten. Aber wie ich es auch drehte und wendete, es kam nichts dabei heraus. Erin hatte sich entschieden, ihrer Gemeinde und uns zu helfen, und sie war bei dem Versuch umgekommen, mir das Leben zu retten. Hatten sie Schuldgefühle angetrieben, weil sie die Männer meines Großvaters zu unserem Haus geführt hatte? Nein, das glaubte ich eigentlich nicht. Manchmal opferte man sich für Menschen, die man liebte, und sie war meine Freundin gewesen. Andersherum hätte ich dieselbe Entscheidung getroffen.
Ich seufzte. »Ich bin traurig, Gabriel. Ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, noch einmal jemanden zu verlieren, und ich möchte dieses Leben für uns nicht. Ich möchte nicht mein restliches Leben ständig über meine Schulter nach hinten schauen müssen.«
»Dann schlagen wir eben zurück!«, erwiderte er. »Wir beenden das Ganze, ein für alle Mal.«
Er hatte recht. Es musste eine Möglichkeit geben, der Sache ein Ende zu bereiten und meinen Vater zu befreien. Allein schafften wir das allerdings nicht. Zum Glück hatten wir dafür Seamus und seine Leute auf unserer Seite. Der Gedanke, wozu wir gemeinsam fähig wären, beflügelte mich, und ich schob die Trauer beiseite. Um die konnte ich mich später kümmern.
Ich sprang aus dem Bett und gab Gabriel einen Klaps auf den Po, sodass er erschrocken zusammenfuhr. »Los, beweg dich, Gabriela. Es müssen Pläne geschmiedet werden!«
»Was für Pläne?«, fragte er und setzte sich auf.
In der Badezimmertür hielt ich inne. »Ich habe die Schnauze voll davon, dass mein Großvater andauernd gewinnt. Dem wird es noch leidtun, dass er sich je mit mir angelegt hat!«
Letzte Nacht war ich zu überwältigt gewesen, um den drei Helferinnen von Seamus viel Aufmerksamkeit zu schenken, jetzt aber war es höchste Zeit, auf ein paar Fragen Antworten zu erhalten. Ich überlegte, mich dafür an Seamus zu wenden, traute ihm aber nicht ganz über den Weg. Er wollte etwas von mir, und Menschen belogen und manipulierten einen, um das Gewünschte zu bekommen. Seine Wahrheit würde immer durch seine Sehnsüchte gefärbt sein. Folglich beschloss ich, mich stattdessen an die Quelle zu begeben.
Sobald ich mein Zimmer verlassen hatte, blieb ich stehen, ließ meinen Schutzwall hinunter und lauschte mit all meinen Sinnen. Gabriel duschte in dem Badezimmer, das zu unserem Zimmer gehörte. Seamus und Sean unterhielten sich irgendwo unten im Haus. Im ganzen Haus verteilt, hielten sich einige seiner Männer auf, und ihre angespannten Stimmen verrieten mir, dass sie auf der Hut waren. Lottie befand sich im Zimmer meiner Schwester und meckerte, was für eine Langschläferin Lucy doch sei, wobei sie in Wirklichkeit nur mal nach ihr sehen wollte. Meine Schwester meckerte zurück, doch es klang, als sei sie dankbar für die Gesellschaft, denn sonderlich genervt klang sie nicht. Nachdem ich noch ein paar Sekunden gelauscht hatte, hörte ich schließlich dreiFrauen mit verschiedenen Akzenten, die sich unterhielten. Das mussten sie sein.
Ohne anzuklopfen betrat ich das Wohnzimmer. Ich dachte, sie müssten mein Kommen gehört haben, doch alle sahen bei meinem geräuschvollen Eintreten überrascht auf.
»Hi«, sagte ich. Ich winkte kurz und kam mir dann saublöd vor, als sie mich stumm anstarrten. »Wir sind einander gestern Abend gar nicht richtig vorgestellt worden«, versuchte ich es erneut. »Ich bin Remy O’Malley.«
Die Frau mit dem feuerroten Haar erhob sich vom Sofa. Sie hatte ihr Haar zu einem retroartig hochtoupierten Pferdeschwanz zusammengefasst, bei dessen Entstehung garantiert eine ganze Dose Haarspray draufgegangen war.
»Ich bin Ursula Hitzig«, sagte sie.
»Du bist Deutsche?«, fragte ich erstaunt. Aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass hier alle Heilerinnen aus England stammten. Hatte Seamus nicht gesagt, er wolle, dass ich mich ihnen anschließe? Ursulas starker Akzent erinnerte mich an eine Austauschschülerin, mit der ich in New York zur Schule gegangen war. Ursula war auch jünger, als ich gedacht hatte. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig.
Ursula lächelte. »Ja.« Sie deutete auf die Blondine, die den Minirock und die Kampfstiefel von letzter Nacht gegen enge Jeans und ein übergroßes Sweatshirt eingetauscht hatte. »Das ist Brita.« Dann drehte sie sich zu der brünetten Frau, die ein schickes smaragdgrünes Kleid trug. »Und
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