Die Macht der ewigen Liebe
ich wünschte, ich könnte deine Gedanken lesen«, sagte ich sanft. Ich trat nah an ihn heran. Ich spürte, wie sein Atem mein Gesicht streifte, und sehnte mich nach seiner Zärtlichkeit. »Lass mich ein, Asher. Lass mich dir helfen. Wovor hast du Angst?«
Ich traute mich, seine Hand zu ergreifen. Er ließ es zu, und ich fuhr mit meiner anderen Hand über seine Wange. Er neigte den Kopf, als würde er das Gefühl meiner Finger, die seine Lippen streiften, auskosten. In den grünen Tiefen seiner Augen züngelten Flammen empor und entzündeten in mir eine vertraute Hitze. Er senkte den Kopf und küsste mich, seine vollen Lippen trennten meine. Seine Umarmung erfolgte ohne Zögern. Er schlang beide Arme um meine Taille und riss mich an sich, sodass ich das Gleichgewicht verlor. Und sofort verlor ich mich darin, wie er sich anfühlte, wie er roch, wie er schmeckte.
Seit Blackwell Falls hatte er mich nicht mehr so geküsst, und all die aufgestaute Sehnsucht strömte aus mir heraus in unseren Kuss. Ich ließ die Perücke fallen. Meine Hände erforschten seinen Körper, fuhren seine Schulterblätter nach und folgten ihnen hinunter zu seinen Hüften. Ich konnte gar nicht nahe genug an ihn herankommen. Ohne ihn war es so kalt gewesen. Er glühte, und ich wollte mich in das lodernde Feuer werfen.
Dann stieß er mich weg. Ohne Vorwarnung. Ich stolperte und wäre hingefallen, hätte er mich nicht festgehalten. Noch immer ganz benommen, sah ich ihn blinzelnd an.
»Davor!«, stieß Asher zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ich blickte ihn verwirrt an, und er hob meine Hand. Erstda bemerkte ich die grünen Funken, die dort knisterten, wo wir uns berührten. Ich hatte ganz vergessen, wie die Luft aufleuchtete, wenn mein Körper versuchte, Asher zu heilen. Ich hatte die Kontrolle über meine Kräfte verloren, und nun riss ich meine Abwehr schnell wieder hoch. Nach und nach kehrte die Vernunft zurück, und ich begriff, dass er mich nur zu Vorführzwecken geküsst hatte. Ich hatte Leidenschaft mit Manipulation verwechselt und kam mir nun unglaublich dämlich vor.
» Davor habe ich Angst, Remy! Jedes Mal, wenn ich dich berühre und je länger ich mit dir zusammen bin, umso menschlicher werde ich!« Er ließ meinen Arm fallen und trat zurück. Mitsamt seiner Wärme. Die Funken verblassten und damit auch jegliche Leidenschaft, die ich verspürt hatte. »Hast du mich heute Abend denn nicht gesehen? Hast du nicht gecheckt, wie langsam ich mich bewegt habe? Und hast du nicht gemerkt, wie schnell du mich eingeholt hast? Wann warst du dazu je imstande?«
Nie. Auch meine Versuche bei Gabriel hatten da nie etwas gebracht, er hatte mich immer überwältigen können. Ich hätte wirklich nicht dazu imstande sein dürfen, Asher zu Boden zu werfen, doch die Wahrheit war: Es war überhaupt kein Problem für mich gewesen. Der Wind wehte mir das Haar ins Gesicht, und ich schob es zurück und schlang es zu einem Nackenknoten zusammen, während ich darüber nachdachte, wie ich reagieren sollte.
Ashers Hände verschwanden erneut in seinen Jeanstaschen, und er wippte auf seinen Fersen zurück. »Ich verliere meine Fähigkeiten, Remy«, sagte er und auf jeder Silbe lastete Verzweiflung. »Was hast du von mir, wenn ich sterblich bin?«
Angesichts seines offensichtlichen Kummers trat die Kränkung, die ich spürte, in den Hintergrund. Hilflos hob ich dieSchultern. Früher einmal hatte Asher sich danach gesehnt, sterblich zu sein, und gebetet, ich könnte ihn heilen. Das war nun aus und vorbei. Der Mann, der da vor mir stand, fand es schrecklich, was aus ihm geworden war, und litt ständig darunter. Asher an diesem Tiefpunkt zu erleben, ließ mich erschauern.
Er wollte mir partout nicht in die Augen sehen, als ich beteuerte: »Es waren nicht deine Gaben, Asher, die dich zu einem Beschützer gemacht haben. Das warst du. Es geht darum, wer du bist und woran du glaubst. Andere Beschützer hätten mich auf Anhieb getötet, du aber nicht. Du bist ein guter Mensch, mit und ohne deine Fähigkeiten.«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Ich hatte ihn nicht überzeugen können. Ein weiterer Windstoß wirbelte Sand auf, der an meiner Wange hängen blieb. Ich wischte ihn weg und spürte Tränen. Aber was hatte man vom Weinen? Es brachte nichts in Ordnung, und man fühlte sich dadurch nie auch nur im Geringsten besser.
»Ich bin eine Belastung«, beharrte Asher. »Eines Tages werden sie mich gegen dich einsetzen, und das wird mich
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