Die Macht der Medusa
mit Alinas dunklen Haaren spielte. Sie war eine schöne junge Frau mit einem interessanten Gesicht, in dem die großen Augen auffielen. Den dunklen Teint hatte sie von ihrer Mutter geerbt, einer Brasilianerin. Die Figur mehr von ihrem Vater. Alina fand sich etwas zu groß und auch mit zu breiten Schultern.
Sie trug ein graues Kleid aus einem dieser leichten Fasern, die nur so etwas wie einen Hauch auf dem Körper bildeten. Das Kleid war hellgrau und reichte hinab bis zu den Waden. Ihre Arme lagen frei. Durch die Seitenausschnitte an den Schulteransätzen konnte der Wind wehen und über ihren Körper streichen.
Hinter ihr flackerte Licht. Auf dem weißen Tisch standen die beiden großen Windlichter. Vasen, die sich nach oben hin verengten, um dem Wind so wenig Angriffsfläche zu bieten wie möglich. Trotzdem flackerten die Flammen und vertrieben die dunklen Schatten in der Nähe des Tisches. Hin und wieder huschte auch ein Hauch bis zu Alina hin, die noch immer das Gesicht gegen den Wind gehalten hatte und in die Dunkelheit hinein lächelte.
An ihrem linken Oberarm trug sie eine Bemalung. Ein Künstler hatte ihr die Schlange auf die Haut gemalt. Sie nicht hineingeritzt, nur einfach gemalt, und sie war für Alina so etwas wie das Zeichen überhaupt. Die Schlange brachte ihr das Leben. Die Schlange war der Motor, und sie liebte sie mehr als alles andere auf der Welt. Das hatte sie auch Rob Gilmore gesagt, ihrem Freund, den sie seit knapp sechs Monaten kannte. Rob war einer, der selten zur Ruhe kam. Er arbeitete als Broker in einem Bankhaus und stand ewig unter Druck. Kennen gelernt hatten sich die beiden in einer Bar, in der fast nur Insider aus dem Bankgeschäft verkehrten, denn auch Alina verdiente ihre Brötchen als Angestellte einer kleinen, aber feinen Privatbank.
Das war einmal. Es lag zwar noch nicht zurück, für sie war es trotzdem vorbei, und sie hatte es Rob schon angedeutet, der allerdings nur darüber gelacht und ihr erklärt hatte, daß zwei Verdiener doch besser als einer waren.
Das stimmte schon, wenn man zusammenblieb. Genau das hatte Alina Gray nicht vor. Sie würde Rob verlassen, ob ihm das nun paßte oder nicht. An diesem Abend hatte sie es ihm noch einmal gesagt, doch er hatte nur darüber gelacht. Für ihn kam so etwas nicht in Frage. Das kannte er nicht, er fühlte sich in seiner Ehre und in seiner Eitelkeit verletzt. Er würde mit allen Mitteln versuchen, sie zurückzuhalten, doch Alina war entschlossen, ebenso dagegenzuhalten.
Auch mit allen Mitteln!
Die eigene Zukunft war ihr wichtiger. In dieser Welt hatte jemand wie Rob Gilmore keinen Platz. Da gab es andere Gesetze, andere Regeln, die mit den menschlichen nichts mehr zu tun hatten. Die neuen Welten waren interessanter, sie waren fraulicher, aber auch gefährlich und zugleich faszinierend.
Alina träumte davon. Sie träumte von der geheimnisvollen Frau mit dem Schlangenkopf. Sie träumte von ihrem wundersamen Bann, der Alina – und nicht nur sie – so verändert hatte. Zudem wußte sie sehr genau, daß die Person mit dem Schlangenhaupt etwas Besonderes war und voll auf ihrer Seite stand.
Es war die Medusa...
Eine Gorgonin. Zusammen mit Stheno und Euryale hatte sie ein teuflisches Trio gegründet. Als gefährliche böse Unsterbliche waren sie durch die griechische Mythologie gereist, und es war zumindest Medusa tatsächlich gelungen, in eine moderne Zeit hineinzugleiten. Wenn auch etwas verändert, doch sie war es, und daran gab es keinen Zweifel. Alina hatte es selbst erlebt, zusammen mit ihrer Freundin Miranda Ferris, die in Alinas Plan eingeweiht worden war. Alina hatte ihr einen Nachschlüssel von der Tür des Penthouses besorgt, und Miranda würde zum richtigen Zeitpunkt erscheinen, um sich zusammen mit Alina um das Problem Rob Gilmore zu kümmern.
Auch ohne sich umzudrehen, wußte Alina genau, daß Rob immer noch an der gleichen Stelle saß. Bequem im Gartenstuhl, die Beine vorgestreckt, das Glas Prosecco oder Rosé in der Hand – wer in war, trank eben beides wie immer lässig und in Schwarz gekleidet. Diesmal mit einer schwarzen knielangen Hose und einem dunkelgrauen Seidenhemd, dessen Stoff leicht changierte.
Er war ein Schaumensch. Er war ein Genießer, und er genoß Alina bereits seit einem halben Jahr, wobei er seine Macho-Tour noch immer nicht abgelegt hatte.
Zu Beginn hatte es Alina gefallen. Im Laufe ihrer Beziehung aber hatte sie die Medusa kennen gelernt, und jetzt stand sie an erster Stelle. Auch über die
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