Die Macht der Medusa
ist mir klar. Ob du es glaubst oder nicht, ich will auch nicht mehr zurück.«
»Tja, dann...« Gilmore war noch immer irritiert und geschockt zugleich. Selbst er wußte nicht, was er noch sagen sollte. Er drehte nur den Kopf und schaute Alina nach, die es gar nicht mal so eilig hatte, auf die offene Tür zuzugehen. Im großen Raum dahinter gaben nur zwei kleine Lampen Licht. Sie verteilten sich an verschiedenen Seiten des Raums. Der größte Teil der Fläche blieb im Dunkeln.
Erst als er die Schritte seiner Freundin verklingen hörte, sprang er auf. Ihm war klargeworden, daß sie keinen Spaß mit ihm trieb, und deshalb rief er hinter ihr her: »He, warte noch. Das ist doch ein Mißverständnis.« Er betrat mit einem langen Schritt die Wohnung. Er wollte auch Licht machen, weil das Halbdunkel einfach zu wenig Sicht erlaubte, aber eine Stimme stoppte ihn.
»Es ist kein Mißverständnis!«
Eine Frau hatte gesprochen.
Aber nicht Alina.
Es war ihre Freundin Miranda gewesen!
Zunächst begriff der Broker gar nichts. Er stand wie angeleimt auf dem hellen Marmor, mit dem der Boden bedeckt war, und der ebenfalls Wärme aufgesaugt zu haben schien, denn kühl fühlte sich das Material nicht an.
Er ging auch nicht mehr weiter und bewegte nur seinen Kopf, weil er die Sprecherin suchte. Zudem hoffte er noch immer, sich geirrt zu haben.
Das konnte er vergessen. Es gab sie. Denn sie stand im Zimmer und nicht weit von der Tür entfernt wie ein Geist, der die Stille des Jenseits verlassen hatte. Es lag daran, daß Miranda ein helles Kleid trug, passend zu ihren hell- und aschblond gefärbten Haaren, die wie dicke Nägel vom Kopf hochstanden. Sie war der Typ Brigitte Nielsen, groß, breit in den Schultern und mit einem guten Vorbau bestückt. Das Kleid lag eng an ihrem Körper und war für das Wetter kaum geschaffen, aber das machte Miranda nichts aus.
Gilmores Augen bewegten sich. Er suchte Alina. Sie mußte noch da sein. Nur war sie für ihn nicht zu entdecken. Sie schien in die Schatten hineingekrochen zu sein.
Rob überwand seine Überraschung. Er konnte wieder klar denken, und seine erste Frage galt Miranda Ferris.
»Wie bist du in die Wohnung gekommen?«
»Ist das wichtig?«
»Für mich schon.«
»Nimm es einfach hin, daß ich hier bin.«
Gilmore schickte ihr ein hartes Lachen entgegen, bevor er wieder das Wort ergriff. »Das habt ihr euch beide fein ausgedacht. Mich zu verarschen, mich ins Leere laufen zu lassen. Abzuschieben, fertigzumachen und...«
»Sonst noch was?«
Rob ging vor und reckte dabei sein Kinn nach vom. »Hau ab, du Nutte. Verschwinde aus meiner Wohnung, bevor ich dir in den Arsch trete und dich rausschmeiße. Ich will so was wie dich nie mehr sehen. Hast du verstanden?«
Sie hatte verstanden, er hatte schließlich laut genug gesprochen, aber sie gab keine Antwort. Miranda blieb gelassen, und sie wich auch nicht zurück, als er weiter auf sie zuging.
Alinas Stimme stoppte ihn schließlich. »Bleib lieber stehen, Rob. Du hast keine Chance.«
Er blieb auch stehen. Gleichzeitig schoß die Wut in ihm hoch und rötete sein Gesicht. Er spürte auch den Schweiß, der sich wieder aus seinen Poren drängte, und erlebte dabei, wie sich das Zimmer erhellte, denn Alina hatte das Licht eingeschaltet und auch den Dimmer gedreht, damit es nicht zu hell wurde.
Unter der Decke öffnete sich ein Himmel. Zahlreiche kleine Lampen wirkten wie künstliche Sterne und breiteten ihren Glanz in dem großen Zimmer aus.
Alina stand links von ihm. Nicht weit von der Wand entfernt. Sie lächelte ihn kalt an. Da sie näher bei ihm stand als Miranda, konnte er auch in ihre Augen schauen und las darin einen Ausdruck, den er bisher von ihr noch nicht kannte.
Es war der kalte Haß, der ihm da entgegenströmte. Da hatten sich die Augen in geschliffene Messer verwandelt, die den Tod auf ihrem Metall spazieren führten.
Angst hatte jemand wie Rob Gilmore eigentlich nur vor dem großen Crash an der Börse. Zumindest bis zu diesem Abend. Genau jetzt erlebte er, daß es noch eine andere Angst gab. Daß man sich auch vor Menschen fürchten konnte. Sogar vor einer Person wie Alina, die ihm recht nahe stand. Er merkte, wie ihm das Blut weiterhin in den Kopf schoß. Trotz seiner kargen Phantasie verglich er die beiden Frauen mit zwei Henkerinnen, die darauf lauerten, ihn vom Leben in den Tod zu befördern. Auf seinem Rücken lag plötzlich eine kalte Schicht, von der sich ebenfalls kalte Wassertropfen lösten und nach unten
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