Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
ihre Körperhaltung sprach eine eindeutige Sprache. »Wir wissen, was das Beste für Sky ist. Sie ist jetzt seit sechs Jahren bei uns und ich glaube, wir kennen sie besser, als Sie es tun.«
»Hört sofort auf, bitte! Alle!« Ich fühlte mich wie ein Knochen, um den sich eine Meute von Hunden riss. Alle waren so damit beschäftigt, einander zu erzählen, was das Beste für mich war, dass ich mir selbst darüber nicht mal klar werden konnte.
Saul erhob sich vom Tisch. »Karla, wir regen Sky nur auf. Wir sollten besser gehen.« Er warf mir einen Blick zu. »Das Angebot steht, Sky. Denk drüber nach. Um Zeds und um deinetwillen.«
Die Benedicts verschwanden mit steifem Abschiedsgruß und knallenden Autotüren. Ich blieb im Wohnzimmer am Klavier sitzen und ließ meine Finger über die Tasten gleiten. Bildete ich mir das nur ein oder klang das Instrument total verstimmt?
»Also wirklich«, sagte Sally, als sie ziemlich verärgert ins Haus zurückkehrte. »Gibt es eigentlich irgendjemanden in Wrickenridge, der nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen hat?«
»Tut mir leid, dass du dir das anhören musstest, Schatz.« Simon wuschelte mir durchs Haar. »Ich glaube, sie meinen es nur gut.«
»Eigentlich klingt Vegas ziemlich verlockend«, sagte Sally.
Simons Augen leuchteten auf, so wie bei einem Autofahrer, der im dichten Berufsverkehr eine Lücke erspäht, um sich hineinzuquetschen. »Dann rufe ich Mrs Toscana an und vereinbare etwas mit ihr.«
Mir missfiel die Vorstellung, mit Volldampf in ein neues Leben zu starten; ich wollte Zeit haben, um mich wieder in das Leben einzufinden, das ich mir hier aufgebaut hatte. Ich wollte Zeit haben, um herauszufinden, was Zed und mich verband. Und für all das brauchte ich wieder einen klaren Kopf.
Ich schloss den Klavierdeckel. »Können wir nicht mal für eine Minute darüber nachdenken, was Mr und Mrs Benedict gesagt haben? Vielleicht können sie tatsächlich helfen.«
»Tut mir leid, Sky, aber gebranntes Kind scheut das Feuer.« Simon blätterte in seinen Visitenkarten, bis er die des Hotels in Vegas gefunden hatte. »Dass wir in die Angelegenheiten dieser Familie hineingezogen worden sind, hatte katastrophale Folgen. Wir haben nichts dagegen, wenn du Zed hier bei uns triffst, aber du gehst nicht zu ihm nach Hause. Du bist auf dem Weg der Besserung und wir wollen jetzt keine Rückschläge riskieren. Ich erledige jetzt schnell mal diesen Anruf.«
Ich hatte im Moment keine Kraft, um zu streiten, und so gab ich keinerlei Versprechen, sondern stand einfach auf und sagte Gute Nacht. Ich konnte hören, wie Simon angeregt mit seiner neuen Bekanntschaft sprach, wie er mitteilte, welche Wochenenden noch frei waren und wie sehr wir uns auf den Besuch freuten. Ich wollte nicht nach Vegas zurückkehren; wozu auch? Alles, was ich wollte, war hier.
Ich saß noch an meinem Bettende und schaute aus dem Fenster, lange nachdem sich meine Eltern bereits schlafen gelegt hatten. Der Himmel war klar, Mondschatten tauchten den Schnee in ein ungesund dunkles Blau. Der Winter war eingekehrt, der Schnee lag hoch mit der Absicht, bis zum Frühling dazubleiben. Das Thermometer zeigte Minusgrade, Eiszapfen hingen an den Dachtraufen und wurden täglich länger. Ich kratzte mich an den Armen. Ich ertrug das nicht. Ich wollte schreien und so lange auf meinen Kopf einschlagen, bis ich wieder klar sah. Während ich mir große Mühe gab, so zu tun, als würde es mir bereits besser gehen, hatte ich in Wahrheit das Gefühl, dass sich mein Zustand verschlechterte. Ich klammerte mich an die Vernunft und betrat vorsichtig die dünne Eisschicht, die meinen Geist schützte, aber ich fürchtete, dass ich mir etwas vormachte: Ich war bereits durch die Spalten und Risse im Eis gefallen.
Ich stand jäh auf und trat mit geballten Fäusten ans Fenster. Ich musste etwas unternehmen. Es gab nur einen Ort, den ich aufsuchen konnte, um zu verhindern, dass noch größerer Schaden angerichtet wurde. Ich schnappte mir meinen Morgenmantel und öffnete das Fenster. Ich wusste, dass mein Vorhaben verrückt war, aber ich glaubte ja ohnehin schon, den Verstand verloren zu haben; es war also egal. Ich fluchte insgeheim, dass meine Winterstiefel unten standen, aber ich wollte nicht riskieren, meine Eltern aufzuwecken, und so kletterte ich aufs Verandadach, glitt bis zur Kante hinunter und ließ mich zu Boden fallen. Meine dünnen Turnschuhe waren auf der Stelle durchweicht, aber angetrieben von dem Glauben, dass das, was ich tat,
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