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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Duvoisin in Richmond an, und einer der Angestellten bezahlte die Beförderungsgebühr. Als er den Hinweis An Stuart Simons weiterleiten las, warf er den Umschlag auf einen größeren Stapel, der bereits auf Stuart wartete. Man rechnete erst in ungefähr zwei Wochen wieder mit ihm.
    Freitag, 26. Oktober 1838
    Der Juwelier reichte John den Ring, damit er ihn näher in Augenschein nehmen konnte. Er hatte ihn genau nach den Wünschen seines Kunden angefertigt, was nicht ganz einfach gewesen war, da Mr Duvoisin auf einem lupenreinen Diamanten von mindestens drei Karat bestanden hatte. Der Mann sah zu, wie John den Ring nach allen Seiten drehte und begutachtete. Selbst in diesem halbdunklen Raum funkelte er mit einem unglaublichen Feuer. Er saß auf einem breiten schmucklosen Band, auf dessen Innenseite My charm – in Liebe – J.D. graviert war.
    Der Juwelier sah, dass sein Kunde zufrieden war. Er legte den Ring zurück in die Schachtel, und John zahlte in bar, ließ die Schachtel in eine Tasche seines Mantels gleiten und trat in den trüben Tag hinaus.
    Seit ihrer Ankunft in New York waren bereits zwei Monate vergangen, und doch waren ihre Bemühungen bisher ohne Ergebnis geblieben. In letzter Zeit hatte sein Vater einige Male davon gesprochen, die Suche in London oder Liverpool fortzusetzen, da Blackfords Wurzeln in England lagen. Aber John hatte darauf bestanden, weiterhin in New York zu suchen. Seiner Meinung nach konnte sich Blackford nirgendwo so gut verstecken wie hier. Außerdem bot sich ihm in dieser Stadt dank der vielen Immigranten eine Menge Arbeit. Was Johns Meinung in dieser Sache anging, so verließ er sich einzig auf sein Gefühl, das Nacht für Nacht durch seine Träume bestätigt wurde.
    Er ging zu Fuß zum Postamt. Vor einigen Tagen hatte er einen Brief von Charmaine erhalten und mit Erleichterung die Neuigkeiten aus Charmantes zur Kenntnis genommen. Vor allem die wichtigste Nachricht, dass Agatha tot war. Eine Sorge weniger, die ihm zu schaffen machte. Den Zwillingen ging es gut, und Mercedes war schwanger. Aber am meisten freute ihn, dass ihm Charmaine seine überstürzte Abreise inzwischen verziehen hatte. Sie schrieb, dass sie die Bewegungen des Kindes spüren konnte, und er sehnte sich danach, diesen Kreuzzug endlich zu beenden und nach Hause zurückzukehren. Er vermisste das alles so sehr. Im heutigen Brief musste er allerdings eingestehen, dass sie noch immer nichts Neues über den Aufenthaltsort seines Onkels erfahren hatten. Dennoch war er voller Zuversicht, sie bald wieder im Arm zu halten.
    Auch diesen Umschlag hatte er an Stuart Simons in Richmond adressiert. Da Pauls Schiffe mindestens ein Mal im Monat dort anlegten, war er sicher, dass Charmaine den Brief spätestens Anfang Dezember erhalten würde.
    »Wunderschön«, sagte Michael, als er ihm am Abend den Ring zeigte.
    »Ich weiß, was Sie denken: Ich hätte das Geld lieber den Armen geben sollen, nicht wahr?«
    »Aber nein, John. Charmaine verdient so etwas Schönes.« Er drehte das Schmuckstück in der Hand. »Sie wird sehr glücklich sein.«
    John lächelte, als Michael die Gravur las. » My charm ?«, fragte er.
    John grinste, und seine Augen leuchteten. »Das ist mein Spitzname für sie. Früher hat sie es gehasst, wenn ich sie so genannt habe. Doch ich mochte, wenn ihre Augen blitzten. Genau wie Maries Augen«, sagte er versonnen.
    Michael nickte. »Ich erinnere mich gut an diesen Blick …«, sagte er leise.
    Er gab den Ring zurück, und John verschloss ihn in seinem Schreibtisch. »Falls mir etwas zustößt, Michael, dann sorgen Sie bitte dafür, dass Charmaine ihn erhält.«
    Angesichts dieser düsteren Worte wurde Michaels Herz schwer.
    November 1838
    Da es auf Charmantes kein Gefängnis gab, hatte Father Benito Giovanni die letzten beiden Monate im Keller unter dem Versammlungshaus zubringen müssen. Im Lauf der Jahre hatte der Raum schon den verschiedensten Zwecken gedient, und so hatte Paul Benito nach einigen Tagen dort einsperren lassen, um ihn besser unter Aufsicht zu haben.
    Das Gebäude lag auf einem kleinen Hügel, sodass die Besucher der sonntäglichen Messe acht Stufen bis zu einer hölzernen Plattform emporsteigen mussten, von der aus man in den großen Raum gelangte. Innen führte in einem Schacht eine Treppe in den dunklen Keller hinab, wo man verderbliche Dinge lagern konnte. Der Raum war niedrig, und der Fußboden bestand aus gestampftem Erdreich. Die soliden Felsbrocken der vorderen Wand waren mit Mörtel

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