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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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gemacht und am sechsten Dezember versucht hätten, ihn festzunehmen. Frederic war zuversichtlich, dass sein Plan gelang. Trotzdem wollte er für den schlimmsten aller Fälle Vorsorge treffen.
    Die Heir hatte auch einen Brief von Charmaine mitgebracht, und Frederic beobachtete, wie John den Umschlag ungeduldig aufriss. Den dritten, den er bisher erhalten hatte. Er freute sich über die Neuigkeiten, die Charmaine zu berichten hatte, und war sichtlich erleichtert, als er las, dass die Harringtons bis zur Geburt des Babys auf Charmantes bleiben wollten. Aber dann runzelte er die Stirn: Außer seinem ersten Brief hatte Charmaine keine weiteren Briefe mehr erhalten. Frederic beruhigte ihn. Spätestens morgen war ihre Mission erledigt. Dann konnten sie in See stechen und womöglich noch einen Monat vor der Geburt auf Charmantes ankommen.
    Der restliche Vormittag war von Arbeit ausgefüllt. Frederic und John ließen die Fracht der Heir auf eines ihrer Schiffe umladen, das auf dem Weg nach Liverpool in New York angelegt hatte und nicht ganz ausgelastet war. Sie änderten die Frachtpapiere, soweit die Kapazitäten des Laderaums das zuließen, und halfen nach Kräften beim Umladen, da sie in der Kürze der Zeit nicht genügend Männer anwerben konnten. Dank dieser Maßnahme konnte die Heir direkt nach Charmantes segeln, und Zucker und Tabak gelangten trotzdem pünktlich nach Europa. Welch glückliche Fügung, dachte Frederic, da das nächste Schiff der Duvoisins erst in frühestens vierzehn Tagen in New York erwartet wurde.
    Gegen Mittag waren so viele Männer an Bord, dass Michael sich überflüssig vorkam. Um nicht ständig im Weg zu stehen, verließ er das Schiff und vertrieb sich den Nachmittag mit einem langen Spaziergang und der Besichtigung vieler Kirchen und außergewöhnlicher Gebäude. Bisher hatte er noch nicht viel von der Stadt gesehen, also nutzte er die letzte Gelegenheit, bevor sie morgen nach Charmantes aufbrachen. Als gegen Abend Regen einsetzte, machte er sich auf den Heimweg.
    Michael war seit fast zwei Stunden zu Hause, als Frederic das Haus betrat und seinen nassen Mantel im Foyer ausschüttelte, bevor er ihn auf einen Bügel hing. »Wo ist John?«, fragte Michael.
    »Was soll das heißen? Wollten Sie sich denn nicht treffen? Als er vor ein paar Stunden das Büro des Schiffsagenten verließ, dachte ich …«
    Ihre Blicke trafen sich, und Frederics Gesicht spiegelte seine tiefe Sorge wider. »Wie lautet Blackfords Adresse, Michael?«
    »Dreizehn Stone Street«, antwortete der Priester … und hoffte inständig, dass John ihn nicht absichtlich in die Irre geführt hatte. »Gleich südlich der Wall Street.«
    »Danke.«
    »Ich komme mit.«
    »Nein, Michael, warten Sie lieber hier auf mich … falls wir uns irren.«
    Zweifelnd sah Michael ihn an. »Dann gehe ich kurz in die Praxis. Später treffen wir uns wieder hier.«
    Frederic war einverstanden. Er humpelte so schnell nach oben, wie das steife Bein es zuließ, durchsuchte seinen Koffer und nahm Revolver und Patronen an sich, die er in der ersten Woche nach ihrer Ankunft gekauft hatte. Dann hastete er zurück nach unten, schlüpfte in seinen Mantel, lud den Revolver und versenkte die Waffe tief in einer Tasche. Er packte seinen Stock fester und wechselte noch einen kurzen Blick mit Michael, bevor sie zusammen das Haus verließen, zwei Wagen herbeiriefen und in unterschiedliche Richtungen davonfuhren.
    Robert Blackford stieg die drei Treppen zu seiner Wohnung hinauf. Das Geschrei eines Kindes und eines streitenden Paars hallte vom Stockwerk unter ihm empor, und im Flur stank es nach ranzigem Fett und Schimmel. Diese ärmlichen Mietshäuser boten zwar die nötige Anonymität, doch er entfloh dem Elend, sooft er nur konnte. Fast jeden Abend besuchte er die bessere Gegend nördlich der Stone Street, wo er sich den gepflegten Genüssen des Lebens hingab. Heute Abend zum Beispiel kehrte er von einem Dinner im Astor House Hotel zurück, und für morgen hatte er einen Besuch im Spielkasino geplant. Das Leben in New York gefiel ihm. Überhaupt war es sehr viel aufregender und besser, als er erwartet hatte … und das sogar ohne seine geliebte Agatha.
    Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um, doch als er die Tür aufstoßen wollte, merkte er, dass er zu- statt aufgeschlossen hatte. Seltsam. Er schloss die Tür doch immer ab, wenn er das Haus verließ.
    Er betrat die dunkle Wohnung und tastete nach der Lampe, die auf einem Tischchen stand. Dann fand er

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