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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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ehrlich betroffen.
    John ließ den schmerzenden Kopf auf die Hände sinken und schloss die Augen wieder. In der bedrückenden Stille wandte sich Charmaine zum Gehen, doch seine Stimme hielt sie auf. »Warum sind Sie so früh schon wach?«
    »In meinem Kopf hat sich alles gedreht, und ich konnte nicht schlafen. Passiert Ihnen das denn nie?«
    Jetzt lächelte er. »Viel zu oft, fürchte ich, my charm .«
    Sie wurde ruhiger, als sie die vertraute Anrede hörte.
    »Und was hat Sie nicht schlafen lassen?«, fragte er.
    »Ich fürchte, ich bin wegen der kommenden Woche und der vielen Leute nervös.«
    »Sie werden das alles bestens schaffen«, versicherte er. »Kommen Sie auch zum großen Ball am Samstag?«
    »O ja!« Ihre Augen leuchteten auf. »Maddy Thompson hat mir sogar ein wunderschönes Kleid genäht. Beim Anprobieren musste ich stundenlang stocksteif dastehen.«
    Ihre Begeisterung war ansteckend und machte ihn vollends munter. Lächelnd stützte er sein Kinn auf eine Faust, und seine Augen glitzerten. »Begleiten Sie meine Schwestern, oder haben Sie schon einen Mann an Ihrer Seite?«
    Sie zögerte. War das ein Angebot? Warum mag ich es ihm nicht sagen? »Paul hat mich eingeladen.« Plötzlich fühlte sie eine leichte Enttäuschung.
    John verzog keine Miene. »Ich muss gestehen, ich bin überrascht. Ich dachte eigentlich, dass er die hübsche Lady London auffordern würde. Sie klebt ja förmlich an ihm. Freuen Sie sich schon?«
    »O ja. Während der letzten Monate haben wir uns viel besser kennengelernt.«
    John runzelte die Stirn.
    »Ist daran etwas falsch?«
    »Aber ganz und gar nicht. Hat mein Bruder denn noch andere Pläne mit Ihnen? Ich meine, nach dieser Woche?«
    Sie wusste, worauf er anspielte, und schwieg.
    »Sie wissen doch, dass Paul in Zukunft auf Espoir leben wird, nicht wahr? Sicher sehen Sie ihn dann viel seltener.«
    Die Erkenntnis traf Charmaine wie ein Schlag. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, aber natürlich war es so. »Das wird die Zukunft zeigen«, meinte sie. »Das muss ich abwarten.«
    »Was meinen Bruder angeht, so haben Sie schon Übung im Warten, nicht wahr?« Als sie sich entrüsten wollte, hakte er nach: »Machen Sie sich eigentlich immer noch Hoffnungen?«
    »Sollte ich nicht?«, fragte sie geradeheraus. »Was raten Sie mir?«
    John schwieg und schien zu überlegen. »Ich glaube nicht, dass mein Bruder für eine ernste Beziehung reif genug ist. Er muss sich erst noch selbst kennenlernen, und so lange wird er nicht zur Ehe bereit sein.«
    »Was meinen Sie damit?« Vor allem die letzte Bemerkung hatte sie stutzig gemacht.
    »Das ist doch klar. Aber ich kann es auch einfacher sagen: Er hatte Zeit genug, und doch hat er Ihnen noch immer keinen Heiratsantrag gemacht. Die romantische Ouvertüre könnte sich auch als schlichte Verführung entpuppen. Das ist meine ganz persönliche Meinung, aber die kennen Sie ja schon.«
    »Sie könnten sich irren.«
    »Das ist möglich.« Er dachte daran, dass sein Rat schon einmal auf taube Ohren getroffen war. Stille breitete sich aus. »Wie lange wollen Sie noch ›warten‹, bevor Sie der Sache überdrüssig werden?«, fragte er direkt.
    »Paul ist schließlich nicht der Einzige«, entgegnete sie und kam sich plötzlich lächerlich vor.
    »Ach nein? Wen gibt es denn noch? Haben Sie etwa jemanden heimlich hinter dem Rücken meines Bruders geküsst?«
    »Er ist jedenfalls nicht der einzige Mann, den ich in meinem Leben geküsst habe!«, ereiferte sich Charmaine und errötete, als John genauso spöttisch grinste wie damals.
    » Das ist doch immerhin ein Geständnis!« Ein teuflisches Funkeln trat in seine Augen. »Wen haben Sie denn sonst noch geküsst, my charm ? Mir können Sie es doch sagen. Vielleicht Wade Remmen?«
    »Ich habe Sie geküsst!« Sie ärgerte sich über sein schlechtes Gedächtnis und merkte zu spät, dass sie sich selbst ein Bein gestellt hatte.
    Er lehnte sich zurück und lachte in sich hinein. »Ah, aber das zählt nicht … oder doch?«
    »Aber natürlich tut es das!«, rief sie. »Ich meine … nein, es zählt natürlich nicht!«
    Sein Grinsen wurde immer breiter. »Warum haben Sie es dann erwähnt?«
    Als sie den Mund öffnete, winkte er ab. »Wir sollten diese Unterhaltung lieber beenden, bevor Sie sich über mich ärgern. Ich will die Woche nicht schon zu Beginn verderben.«
    »Und wie steht es mit Ihnen?«, fragte sie etwas verstimmt.
    »In welcher Beziehung?«
    »Welche Lady führen Sie zum Ball?«
    »Bisher habe ich noch

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