Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
doch Frederic winkte ab. »Ich möchte nicht mit dir streiten. Ich bitte dich, hör dir an, was ich zu sagen habe. Falls du Einwände hast, können wir nachher darüber sprechen.«
John schüttelte nur den Kopf und ließ sich in einen Sessel fallen.
»Der erste Punkt betrifft das Sorgerecht für Yvette und Jeannette, das am Tag meines Todes auf dich übergeht. Das ist in meinen Augen nur vernünftig, besonders, seit du mit Charmaine verheiratet bist.«
Das waren die guten Nachrichten , dachte John, und jetzt kommen die schlechten .
»Was die Plantagen und Besitztümer in Richmond betrifft, so werde ich sie Yvette und Jeannette hinterlassen. Ich kenne deine Bedenken in Bezug auf einen bevorstehenden Bürgerkrieg, doch das Land existiert nun einmal. Die Mädchen sind in ein paar Jahren erwachsen, und wenn sie in die Gesellschaft eingeführt werden, was vermutlich in Richmond geschieht, kann der Besitz unter ihnen aufgeteilt werden. Allerdings muss ihn bis zu diesem Tag jemand verwalten. Ich bitte dich, die Interessen deiner Schwestern als ihr Vormund wahrzunehmen.«
»Nein.«
»Lass mich ausreden, John. Ich weiß, dass das Engagement für die Underground Railroad gefährlich ist, aber ich mache dir keinen Vorwurf, dass du zu deinen Idealen stehst. Im Gegenteil. Diesen Charakterzug respektiere ich sehr an dir.«
John hielt sich zurück. Er wurde das Gefühl nicht los, dass er manipuliert werden sollte.
»Sicher geht es dabei um mehr, als nur um den Transport der Sklaven auf unseren Schiffen. Ich vermute, dass Freedom eine Station auf dem Weg in die Freiheit ist. Kann das System ohne deine Unterstützung weiter bestehen?«
Das hatte John bisher noch nicht überlegt. Im Grunde war er der Garant für Freedom. Kein neuer Verwalter konnte Brian und Stuart den Schutz bieten, wie er das tat. Zuletzt hatte er davon abgesehen, die Station nach Wisteria Hill zu verlegen, weil Freedom durch seine Lage am Appomattox River einen besseren Schutz bei der Verfolgung durch Hunde bot. »Was genau willst du mir sagen, Vater? Willst du wirklich, dass ich deine Plantage auch weiterhin als Station des Fluchtwegs betreibe?«
»Tu genau das, was dir richtig erscheint … bis deine Schwestern alt genug sind«, sagte Frederic schlicht. »Als letzter Punkt wäre da noch Charmantes«, fuhr er dann fort, als ob sie sich über den vorigen Punkt bereits einig wären.
Was kam jetzt?
»Bis heute Morgen wusste ich nicht, was ich damit tun sollte … Paul besitzt Espoir, und George soll Esprit bekommen, weil er sich das durch den treuen Einsatz für unsere Familie verdient hat. Charmantes werde ich deinen Kindern, meinen Enkelkindern, vermachen. Falls du die treuhänderische Verwaltung ablehnst, werde ich Paul damit betrauen, bis deine Söhne erwachsen sind.«
John fluchte verhalten. »Du willst noch immer alles bestimmen, nicht wahr?«
»Ich bin nicht überrascht, dass du so empfindest, John, aber das ist allein meine Schuld. Dir und deinen Kindern ein Stück meines Vermögens zu hinterlassen, ist außer dem Leben das Einzige, was ich euch geben kann. Ich wünschte, dass es anders wäre, und ich bedauere sehr, dass es für uns beide in manchen Punkten einfach zu spät ist.«
John wusste nicht, was er sagen sollte. Die Gefühle seines Vaters entwaffneten ihn, und sein Zorn schwand. So viele Jahre hatte er um die Anerkennung und Liebe seines Vaters gerungen. Doch nun, da sie greifbar waren, hatte er Hemmungen und wechselte lieber das Thema. »Was geschieht mit deinen Schiffen?«
»Wenn ich sterbe, wird Paul sie übernehmen, jedoch mit der Auflage, dass alle Transporte, die du benötigst, kostenfrei abgewickelt werden.«
John schnaubte. Wieder ein Punkt für ihn. Wenn er nicht auf Pauls Großzügigkeit angewiesen sein wollte, musste er sich einen neuen Geschäftspartner suchen. »Und deine Beteiligungen?«
»Die werden gleichmäßig zwischen Paul und dir geteilt.«
»Ich habe doch gesagt …«
»Tu, was du willst, aber das ist Ende der Woche erledigt. Ich habe mehr Geld als genug, um bis ans Ende meiner Tage zufrieden leben zu können. Ich will nicht, dass das Vermögen der Duvoisins unsere Beziehung noch länger belastet.« Er musste schlucken. »Ich habe dich eingeladen, um von vorn zu beginnen, mein Sohn. Die Sache mit Agatha und Stephen tut mir sehr leid. Agatha hat bekommen, was sie wollte, und jetzt ist auch noch Paul wütend auf mich.«
»Wütend?« John wunderte sich. »Auf dich? Wie das?«
»Er hat erfahren, dass Agatha seine
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