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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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erinnern sich, als was Nathaniel bisher verkleidet gewesen war: Ritter in strahlender Rüstung, Astronaut, Kürbis, Krokodil und, als er noch ganz klein war, Raupe. »Was wärst du denn gerne?« fragt Nina.
    Nathaniel wirft sich sein magisches Tischtuch über die Schulter. »Ein Superheld«, sagt er. »Ein ganz neuer.«
    Caleb ist ziemlich sicher, daß sie noch auf die Schnelle ein Supermann-Kostüm auftreiben könnten. »Was stört dich denn an den alten?«
    Alles, wie sich herausstellt. Nathaniel kann Supermann nicht leiden, weil Kryptonit ihm die Kräfte entzieht. Der Ring von Green Lantern versagt bei allem, was gelb ist. Der Incredible Hulk ist zu dumm. Sogar Captain Marvel kann ausgetrickst werden, denn wenn er das Wort SHAZAM! ausspricht, verwandelt er sich wieder in den armen Billy Batson.
    Â»Wie wär’s mit Ironman?« schlägt Caleb vor.
    Nathaniel schüttelt den Kopf. »Der kann rosten.«
    Â»Aquaman?«
    Â»Braucht Wasser.«
    Â»Nathaniel«, sagt Nina freundlich, »niemand ist vollkommen.«
    Â»Sollen sie aber sein«, erklärt Nathaniel, und Caleb versteht ihn. Heute abend braucht der Junge das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Er braucht das Gefühl, daß ihm das, was geschehen ist, nie, nie wieder passieren kann.
    Â»Was wir brauchen«, sagt Nina nachdenklich, »ist ein Superheld ohne Schwachstelle.«
    Sie nimmt seine Hand. »Mal sehen.« Aus dem Schrank holt sie ein Piratenkopftuch und schlingt es ihm verwegen um die Stirn. Dann wickelt sie ein Stück gelbes Band kreuz und quer um Nathaniels Oberkörper. Sie gibt ihm eine blau getönte Taucherbrille, damit er einen Röntgenblick bekommt, und zieht ihm rote Shorts über die Jogginghose, weil wir schließlich hier in Maine sind und sie ihn nicht halbnackt draußen in der Kälte herumlaufen läßt. Dann signalisiert sie Caleb heimlich, daß er sein rotes Thermohemd ausziehen soll. Er gibt es ihr, und sie hängt es Nathaniel um die Schultern, ein zweiter Umhang. »Ach du liebes bißchen, findest du nicht, daß er aussieht wie –«
    Â»Ja, nicht zu fassen«, stimmt Caleb zu, obwohl er keine Ahnung hat, wen sie meint.
    Â»Wie wer? Wie wer?« Nathaniel tänzelt vor Aufregung auf der Stelle.
    Â»Na, wie IncrediBoy natürlich«, antwortet Nina. »Hast du den noch nie gesehen?«
    Â»Nee …«
    Â»Ach, das ist doch der absolute Supersuperheld. Er hat immer zwei Umhänge, wie du, und damit kann er weiter und schneller fliegen als alle anderen.«
    Â»Cool!«
    Â»Und er kann den Menschen die Gedanken einfach so aus dem Kopf ziehen, bevor sie sie aussprechen können. Du siehst fast genauso aus wie er, ich wette, du kannst das auch. Mach mal.« Nina schließt fest die Augen. »Rate, was ich denke.«
    Nathaniel legt die Stirn in Falten, konzentriert sich. Ȁh … daß ich so stark bin wie IncrediBoy?«
    Sie schlägt sich auf die Stirn. »Meine Güte! Nathaniel, wie hast du das gemacht?«
    Â»Ich glaub, ich hab auch schon den Röntgenblick«, jubelt Nathaniel. »Ich kann durch die Häuser sehen, ich weiß, was die Leute für Süßigkeiten verteilen!« Er flitzt Richtung Treppe. »Beeilt euch, ja?«
    Sobald ihr Sohn aus dem Zimmer ist, lächeln Caleb und Nina einander verlegen an. »Was machst du, wenn er doch nicht durch Türen sehen kann?« fragt Caleb.
    Â»Ich sage ihm, sein optischer Sensor ist kaputt und muß repariert werden.«
    Nina geht hinaus, aber Caleb bleibt noch einen Moment am Fenster stehen. Er sieht, wie sein bunt verkleideter Sohn mit einem großen Satz von der Veranda hüpft. Selbst von hier oben kann Caleb Nathaniels Lächeln sehen, sein helles Lachen hören. Und er fragt sich, ob Nina vielleicht doch recht hat, ob ein Superheld nicht einfach eine ganz normale Person ist, die einfach nur fest daran glaubt, daß sie nicht scheitern kann.

Sie hält sich die Pistole, die ein Föhn ist, an den Kopf, als ich frage: »Was kommt nach Liebhaben?«
    Â»Wie bitte?«
    Es ist so schwer, das auszudrücken, was ich fragen will. »Du hast doch Mason lieb, nicht?«
    Der Hund hört seinen Namen und wedelt mit dem Schwanz. »Ja, sicher«, sagt sie.
    Â»Und Dad hast du noch lieber?«
    Sie sieht zu mir herunter. »Ja.«
    Â»Und mich hast du noch doller lieb?«
    Ihre Augenbrauen heben sich.

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