Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
Die Leute glauben Ihnen.« Ich zögere, dann rücke ich mit der Wahrheit heraus. »Und weil ich es immer gehaßt habe, gegen Sie antreten zu müssen.«
    Fisher verzieht keine Miene. »Wir müssen unsere Verteidigung auf Unzurechnungsfähigkeit aufbauen. Oder auf Wut in extremer Form.«
    In Maine gibt es bei Mord keinerlei Abstufungen, und das Strafmaß beträgt mindestens fünfundzwanzig Jahre. Was bedeutet, daß ich, wenn ich freikommen will, auf nicht schuldig plädieren muß – schwer zu beweisen, da die Tat ja sogar gefilmt wurde; nicht schuldig wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit oder nicht schuldig aufgrund von Wut in extremer Form, ausgelöst durch eine entsprechende Provokation. Bei letzterem wird das Verbrechen auf Totschlag reduziert, eine minder schwere Tat. Eigentlich erstaunlich, daß es in diesem Staat legal ist, jemanden umzubringen, wenn er einen nur genug auf die Palme bringt und die Geschworenen übereinstimmend meinen, daß man allen Grund hatte, sich auf die Palme bringen zu lassen.
    Â»Ich würde vorschlagen, beide Gründe anzuführen«, rät Fisher. »Falls –«
    Â»Nein. Wenn Sie beide anführen, ist das für die Geschworenen nicht überzeugend. Glauben Sie mir. Es entsteht der Eindruck, als könnten nicht mal Sie sich entscheiden, warum ich nicht schuldig bin.« Ich denke kurz darüber nach. »Außerdem werden zwölf Geschworene sich nicht so leicht darauf einigen, was eine zulässige Provokation ist. Da leuchtet ihnen schon eher ein, daß eine Staatsanwältin, die vor den Augen eines Richters einen Mann erschießt, doch wohl unzurechnungsfähig sein muß. Und wenn wir mit Wut in extremer Form Erfolg hätten, wäre das noch längst kein voller Erfolg – es würde nur das Strafmaß verringern. Wenn Sie mich mit Unzurechnungsfähigkeit raushauen, ist das ein glatter Freispruch.«
    In meinem Kopf nimmt meine Verteidigung allmählich Gestalt an. »Okay.« Ich beuge mich vor, um ihm meine Strategie zu erläutern. »Brown wird uns ja wegen der psychiatrischen Untersuchung durch einen staatlichen Gutachter anrufen. Wir können zuerst zu diesem Psychiater gehen und uns dann auf Grundlage seines Gutachtens einen eigenen Experten suchen.«
    Â»Nina«, sagt Fisher geduldig. »Sie sind die Mandantin. Ich bin der Anwalt. Wenn Sie das nicht akzeptieren, wird es mit uns nicht klappen.«
    Â»Ach kommen Sie, Fisher. Ich weiß genau, was ich tue.«
    Â»Nein, das wissen Sie nicht. Sie sind Staatsanwältin, und sie haben keine Ahnung, wie man eine Verteidigung aufbaut.«
    Â»Es geht schließlich immer darum, gut zu schauspielern, nicht? Und das ist mir doch wohl gelungen, oder?« Fisher, die Arme vor der Brust verschränkt, gibt sich geschlagen und wartet, bis ich mich in meinem Sessel zurücklehne. »Also gut, meinetwegen. Was machen wir?«
    Â»Wir gehen zu dem staatlichen Gutachter«, sagt Fisher tonlos. »Und dann nehmen wir uns einen eigenen Experten.« Ich hebe die Augenbrauen, aber er ignoriert mich. »Ich beantrage, daß uns alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, die Detective Ducharme im Vergewaltigungsfall ihres Sohnes zusammengetragen hat, denn durch sie sind Sie schließlich zu der Überzeugung gelangt, daß Sie diesen Mann töten müssen.«
    Diesen Mann töten müssen . Die Formulierung jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Diese Worte gehen uns so leicht über die Lippen, als plauderten wir über das Wetter oder ein Baseballspiel.
    Â»Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, was ich anfordern sollte?«
    Â»Die Unterwäsche«, sage ich. »Auf der Unterwäsche meines Sohnes war Sperma. Es wird eine DNA -Analyse gemacht, aber die Ergebnisse liegen noch nicht vor.«
    Â»Tja, die spielen jetzt auch keine Rolle mehr –«
    Â»Ich will den Bericht sehen«, erkläre ich, keinen Widerspruch duldend. »Ich muß ihn sehen.«
    Fisher nickt, notiert sich etwas. »Also gut. Ich werde ihn anfordern. Sonst noch was?« Ich schüttele den Kopf. »Schön. Wenn ich die Beweismittel vorliegen habe, rufe ich Sie an. In der Zwischenzeit verlassen Sie den Staat nicht und sprechen mit niemandem von der Staatsanwaltschaft. Halten Sie sich dran, weil Sie nämlich keine zweite Chance bekommen werden.« Er steht auf, entläßt mich.
    Ich gehe zur Tür,

Weitere Kostenlose Bücher