Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
entwich Dampf, der nach Fleischpastete roch. Aus mehreren Töpfen, die am Rande der Feuerstelle vor sich hinzischten, duftete es verführerisch nach einer süßen Mehlspeise. An den langen Zubereitungstischen in der Mitte des riesigen Raumes standen drei Converse, die mit dem Bereiten weiterer Gerichte beschäftigt waren. Deodata, die Köchin, saß auf einem Schemel in der Nähe des Kamins. Den Rücken an die Mauer gelehnt, döste sie vor sich hin. Sie war nicht mehr die Jüngste und litt unter starker Gicht. Manchmal gab sie bärbeißige Kommentare von sich, weil Eleonora sich ihrer Meinung nach öfter in der Küche aufhielt, als es sich für eine Patriziertochter geziemte, oder weil sie mehr teure Zutaten verbrauchte, als die Klosterverwaltung hinnehmen konnte. Doch sie beklagte sich nie bei der Äbtissin darüber. Das mochte einesteils daran liegen, dass Sanchia ihr hin und wieder den schmerzenden Buckel mit Kräutersalbe einrieb, hing aber möglicherweise auch damit zusammen, dass sie gelegentlich gern den Ruhm für eine besonders gelungene Speise einheimste, die Eleonora zubereitet hatte.
Sanchia kam es manchmal so vor, als hätte Deodata sie und Eleonora als eine Art Tochterersatz ihrem Leben einverleibt.
Die Köchin hatte eine Reihe eigener Kinder geboren, aber sie waren alle als Säuglinge gestorben. Sie war keine Chornonne, sondern wie die meisten anderen Haus- und Küchenkräfte eine Conversa, lebte jedoch seit dem schon lange zurückliegenden Tod ihres Mannes im Kloster.
Deodata öffnete ein Auge und erfasste sofort ein wesentliches Detail. »Das ist ein Hund. Ein Hund hat in meiner Küche nichts verloren. Raus mit dem Vieh.«
»Er heißt Herkules.«
»Das ist ja noch schlimmer. Wer Herkules heißt, gehört in einen Stall.«
»Er ist noch ein Baby«, verteidigte Eleonora ihr neues Hündchen. »Er kann ja noch nicht mal richtig laufen.«
»Wenn du ihn auf den Boden setzt oder wenn er pinkelt, kommt er in die Pfanne.«
»Keine Sorge. Wir passen auf ihn auf.« Eleonora drückte das warme Bündel kurzerhand Sanchia in die Arme, die es instinktiv an sich drückte und das weiche Fell kraulte.
Eleonora schlang sich ein Tuch um den Kopf und griff nach einer aufgeschnittenen Zitrone, mit der sie ihre Finger abrieb. Sanchia hatte es bei ihren ersten Besuchen in der Küche als merkwürdig empfunden, dass beim Kochen ähnliche Regeln gelten sollten wie bei der Krankenpflege, doch im Grunde war es mehr als einleuchtend, warum die Hände gereinigt und die Haare unter einer Haube verborgen sein sollten. Eleonora hatte es mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht.
»Stell dir vor, Deodata kommt vom Abtritt und richtet gleich danach die Fleischplatten an. Oder lässt ihre Haare in die Suppe fallen. Würde es dir dann noch schmecken? Nein? Ihr auch nicht. Deshalb machen es hier in der Küche alle so, wie sie es befiehlt.«
Eleonora hob ein Stück Fleisch hoch und wandte sich an die Köchin. »Was soll daraus werden?«
»Leg das wieder hin.«
»Ich frage doch nur.«
»Es ist für die Äbtissin.«
»Also wird es wieder der Obsthändler fressen«, sagte Eleonora halblaut.
»Ich höre dich sehr gut, Eleonora Toderini!«
Die Converse, alle drei junge Mädchen aus dem Sestiere, kicherten mit abgewandten Gesichtern.
»Wieso kriegt immer nur er die Lende?«, maulte Eleonora. »Reicht seine Manneskraft nicht von alleine?« Die letzten Worte flüsterte sie. Die Köchin konnte sie nicht verstanden haben, da sie anderenfalls ein Donnerwetter vom Stapel gelassen hätte. Sie duldete keine frivolen Bemerkungen in ihrer Küche, schon gar nicht von Mädchen, die, wie sie ständig betonte, noch grün hinter den Ohren waren.
»Ein einziger Ochse hat nicht genug Lenden für ein paar Dutzend naseweiser Nonnen«, wies Deodata sie zurecht.
»Aber es ist zu viel, um es einen einzigen anderen Ochsen alleine auffressen zu lassen«, entfuhr es Eleonora.
Die Köchin bemühte sich um einen strengen Gesichtsausdruck, schaffte es aber nicht, das Grinsen von ihrem Gesicht zu verbannen. »Wenn du es schon wissen willst: Girolamo kriegt auch ein Stück davon.«
»Ihm gönne ich es«, sagte Eleonora. »Er weiß es zu würdigen und stopft es nicht einfach ohne Verstand in seinen Schlund.«
»Woher willst du das wissen? Er kann nicht mal sagen, ob es ihm schmeckt.«
»Er küsst den Saum meines Kleides, wenn ich ihm meinen Kuchen bringe.«
Natürlich war das schamlos übertrieben. Der stumme Torwächter war kein Mensch, der zu solch
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