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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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konnte.
    Sie griff nach dem Skalpell, dann zögerte sie. »Girolamo, ich möchte etwas ausprobieren. Ich kann nicht versprechen, dass es hilft, aber es würde sicher auch nicht viel schaden. Und den Schmerz würde es dir auch ersparen.«
    Er gab ihr ein Zeichen. Alles, was sie täte, wäre ihm willkommen.
    »Ich muss rasch etwas aus der Küche holen, warte hier auf mich.«
    Sie lief eilig hinüber zu den Wirtschaftsgebäuden, das scharf geschliffene kleine Messer noch in der Hand, weil sie es brauchen würde, um die Maden von dem verschimmelten Fleisch abzustreifen, das sie in der vergangenen Woche in einem der Vorratsräume ausgelegt hatte, ganz oben auf dem Regal, damit die Ratten es nicht fraßen und keines der Küchenmädchen es finden und wegwerfen konnte. Eine alte Frau, an deren Beinen seit Jahren mehrere offene Stellen schwärten, hatte ihr gleichmütig davon erzählt, wie der zottelhaarige Mohr, der als Sklave von einer Familie auf Burano gehalten wurde, während eines Markttages einen Zauber über ihr Bein gesprochen hatte. Zur Unterstützung hatte er eine Hand voll sich windende Fliegenmaden auf die schlimmste Wunde gepackt und das Ganze dann verbunden. Als sie eine Woche später nachgeschaut habe, sei die Wunde schon fast zugeheilt gewesen. Sanchia hätte das sofort als dunkelsten Aberglauben abgetan, wenn sie nicht schon vorher einmal bei einem Bettler am Rialto hätte beobachten können, dass dessen vorher chronisch entzündeter, mit faulendem Gewebe geschwürig bedeckter Handstumpf mit einem Mal hervorragend heilte, obwohl es zu jener Zeit unter dem schmierigen Verband von Fleischwürmern nur so gewimmelt hatte. Ein paar Tage später hatte sie noch einmal nach ihm geschaut. Die Maden hätten sich in Fliegen verwandelt und davongemacht, berichtete der Alte, und sein Stumpf war von einer blassrosa, gesund aussehenden neuen Hautschicht überzogen.
    Sie hatte mit Simon darüber gesprochen, der sonst neuen Heilmethoden gegenüber durchaus aufgeschlossen war, es in diesem Fall jedoch kategorisch ablehnte, darüber auch nur nachzudenken. Sanchia war dennoch entschlossen, es auszuprobieren. Unter den alten Nonnen gab es einige, die an offenen Beinen litten. Eine davon würde sich sicherlich zu einem Versuch bereitfinden.
    Dass Girolamo ebenfalls ein Kandidat sein könnte, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
    An der Außenwand des Küchengebäudes war eine Fackel befestigt, die jedoch bereits fast heruntergebrannt war. Die Flammen erhellten den gepflasterten Hof vor dem Gemäuer nur dürftig, doch aus dem schmalen Fenster neben der Eingangstür fiel ebenfalls ein Lichtstreifen. Drinnen musste noch ein Talglicht brennen.
    Sanchia stieß die Tür auf und verharrte sofort, als sie die Geräusche hörte, ein ersticktes Wimmern, unterbrochen von einem Schaben und einem lang gezogenen Grunzen.
    »Beweg dich, du Luder«, stieß jemand in gebrochenem Venezianisch hervor. Sanchia erkannte die Stimme von Gottfried Berghaus, dem deutschen Bader. »Ich weiß doch, dass es dir Spaß macht! Der Mönch hat mir alles erzählt! Wie ihr es treibt, du und die blonde Hure. Miteinander in eurer Zelle und draußen in der Stadt mit allen Männern, die euch über den Weg laufen! Du machst es sogar mit Krüppeln! Warum zur Abwechslung nicht mal mit einem ganzen Mann?« Ein dumpfes Geräusch, wie von einem Schlag. »Los! Beweg dich, hab ich gesagt!«
    Erneut folgte ein unterdrücktes Wimmern, wie durch einen Knebel hindurch.
    Auf einem der großen hölzernen Tische bei den jetzt erloschenen Feuerstellen bewegten sich ein grauer Schatten auf und ab. Die Talgleuchte, deren blasser Schein kaum die Umgebung neben der Tür erhellte, stand auf dem Fußboden neben dem Eingang, doch Sanchia sah genug, um zu begreifen, was hier im Gange war.
    Ihr Atem flog, während sie mit wenigen Sätzen zu den Tischen hinüberhetzte. Mit einem Blick erkannte sie trotz der Dunkelheit Eleonora, die rücklings und mit hochgeschlagenem Gewand auf der Tischplatte lag, die Beine weit gespreizt. Über ihr bewegte sich die fette Gestalt des Barbiers. Er hatte die Hose aufgeschnürt und stieß seinen Unterleib hart zwischen Eleonoras Schenkel, während er unablässig Beschimpfungen und Verwünschungen von sich gab. Die Rechte hatte er grob auf Eleonoras Gesicht gepresst und hielt ihr den Mund zu. Es roch betäubend nach Schweiß, Alkohol, Blut und Angst.
    Sanchia packte mit beiden Händen die Schultern des Mannes, um ihn zurückzureißen. Gottfried Berghaus

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