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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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und Kind – sind gestorben. Bitte betet für sie, Pater. Was noch?« Sie tat, als müsse sie nachdenken. »Ach so, ich habe … habe gelogen. Dies waren meine Sünden. Amen.«
    »Bereust du deine Sünden?«
    »Ja«, sagte sie, diesmal von Herzen. Es tat ihr wirklich leid, dass sie den armen alten Pater während der Beichte anlügen musste, aber wie sollte sie sonst an die Absolution kommen?
    Er erteilte sie ihr gnädig, aber als sie aufstand, war an seinen Seitenblicken unschwer zu erkennen, dass er sie durchschaut hatte.
    »Ihr habt vergessen, mir eine Buße aufzutragen«, sagte sie betreten. »Wie viele Avemaria soll ich beten?«
    »So viele du willst.« Er reichte ihr das Putztuch. »Und du darfst dabei unseren Erlöser fertig polieren.«
    Sie streifte ziellos durch die Stadt, über Brücken und durch schmale sonnenarme Gassen. Sie ging geduckt unter Mauervorsprüngen und balancierte auf schmalen Randstreifen entlang der Kanäle. Sie erkundete die Stadt auf eine Weise, wie sie es bisher nur selten getan hatte, ohne Begleitung und nur darauf bedacht, Eindrücke zu sammeln, mit denen sie sich ablenken konnte.
    Die Stadt hatte ihren eigenen Rhythmus, und jeder Winkel erzählte eine besondere Geschichte. Nirgends sonst konnte ein Mensch sich so in Bildern verlieren wie auf diesen ungezählten Inseln der Lagune. Venedig war ein Gewirr von tausend kleinen Landstücken, verbunden durch Brücken und Stege und ein Netz fester und fließender Wege, in denen das Wasser spielte und die ineinandergeschachtelten Sestiere umgaben wie eine Fassung das Schmuckstück. Zugleich drang es in jede Ritze und Pore dieses Edelsteins, um ihn von innen her auszuhöhlen.
    Gondeln mit flatternden Wimpeln zogen vorüber, bunte Tupfer auf flimmerndem Grund. Vereinzelt trieben breitere Boote und Flöße dahin, behäbiger und schwerer als ihre zierlicheren, lang gestreckten Schwestern, wie Symbole der Arbeit inmitten des Vergnügens.
    Winzige Plätze markierten Sanchias Weg ebenso wie weite Campi, und schmale, kaum schiffbare Rinnsale wechselten mit breiten Kanälen ab. Über allem lag jener matte, durchscheinende Hauch, teils bestehend aus Schatten und Licht, teils aus Gerüchen und Gestank, alles miteinander verwoben wie auf einem beweglichen Gemälde. Wo strahlende Fassaden aus der algentriefenden Fäulnis wuchsen und verrottendes Holzwerk sich mit weithin leuchtendem Marmor verband, verwischten sich die Grenzen zwischen Vergänglichkeit und Neuerung, zwischen Prunk und Elend, so wie die ganze Stadt in all ihren Facetten diese eigentümliche Mischung aus Licht und Dunkel förmlich zu atmen schien.
    Ihr Weg führte Sanchia schließlich aus der gedrängten Enge der verwinkelten Gassen und Kanäle dorthin, wo alle Pracht ihren Ursprung hatte, zur Piazza di San Marco. Hier, wo Schiffe mit himmelhohen Masten den Rand der Mole säumten, war das Rauschen des Meeres lauter, die Weite der Lagune majestätisch. Die Kuppeln der Basilika erhoben sich wie Denkmäler in den Himmel, und die Kulisse der byzantinischen Türme und des von filigranem Säulenwerk überbordenden Dogenpalastes machte die Sinne schwindeln. Und doch waren es Menschen, die all das geschaffen hatten. Sanchia kannte sogar ihre Namen, Künstler, die ihren Platz in der Ewigkeit behaupten würden, so wie der Heilige, dessen Gebeine in der Basilika ruhten und dem der Platz seinen Namen verdankte.
    Menschen strömten in Scharen über den Markusplatz und die angrenzende, zum Meer hin offene Piazetta. Möwen kreisten hoch über der Mole, und weiter unten, im Gesims der Basilika und des Palastes, flatterten hier und da einige Tauben in ihre Schlupfwinkel zwischen den Fassadenheiligen. Ganz hinunter bis auf den Platz wagten sie sich nicht, da sie sonst leicht in der Pfanne einer armen Familie hätten enden können.
    In der Mündung der Merceria zur Piazza wuchs ein neues Gebäude mit einem bogenförmigen Durchgang in die Höhe. Nach der Planung des Baumeisters Coducci entstand hier ein Turm, der den Venezianern künftig die Zeit auf so genaue und plastische Weise mitteilen sollte wie keines der bekannten Uhrwerke zuvor. Arbeiter kletterten auf dem Gerüst des unfertigen Torre dell’ Orologio umher und fügten Steine aufeinander, während andere am Sockel des Mauerwerks Baumaterial heranschleppten.
    Auf der Piazza wurde ein Zirkus abgehalten, ein seltenes und dementsprechend begehrtes Spektakel. Die Artisten brauchten oft ein Jahr und länger, bis sie ihre Tournee durch alle großen Städte

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