Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
schlug verlegen die Augen nieder, und er drückte ihre Hand. Er hatte etwas angesprochen, worauf sie empfindlich reagierte. Sie war nicht im eigentlichen Sinne eifersüchtig, aber ihr war anzumerken, dass sie unter der Vorstellung litt, er könne während der Zeit ihrer Trennung andere Frauen geliebt haben. In dem Punkt hatte er sie zwar beruhigen können, aber es stand als unausgesprochene Wahrheit zwischen ihnen, dass er, anders als sie, in diesen zwei Jahren nicht völlig keusch gelebt hatte. Einmal hatte sie mit kühler Stimme und sehr beiläufig erwähnt, dass ihr Eleonoras späterer Ehemann, Fausto Sarpi, zu Anfang sehr anziehend erschienen sei.
Als Mann , so hatte sie es formuliert, und Lorenzo hätte diesen unbekannten Dottore auf der Stelle und mit Freuden töten mögen. Danach hatten sie das Thema wie aus einer stillschweigenden Übereinkunft heraus ruhen lassen.
Auch diesmal gab sie dem Gespräch eine andere Wendung, obwohl Lorenzo meinte, bei ihrer nächsten Frage eine Spur von Groll wahrzunehmen. »Wenn der Papst ein so grässlicher Mensch ist – wieso musst du ständig Verträge mit ihm abschließen?«
»Nun, er ist mächtig und kontrolliert über den katholischen Glauben die ganze westliche Welt. Sein Wort ist Gottes Gesetz. Widerspruch bedeutet Exkommunikation und damit ewige Verdammnis. Kein weltlicher Herrscher kann mit einem derartigen Makel an der Macht bleiben. Venedig tut gut daran, sich den Mann, der als Gottes Stellvertreter auf Erden gebietet, gewogen zu halten.«
»In der Serenissima wurde der päpstliche Bann schon missachtet.«
»Das ist richtig«, räumte er vergnügt ein. »Aber diese Last wurde von vielen getragen, da wir eine Republik sind.« Er ließ ihre Hand los und legte den Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu ziehen. Ihr Haar roch nach Rauch und wilden Blumen, und für einen Atemzug vergrub er seine Nase in den weichen Strähnen. »Alexander ist übrigens bei weitem nicht so schrecklich, wie viele denken. Er ist keineswegs der Caligula, als den ihn manche hinstellen. So ist er beispielsweise ein sehr disziplinierter Arbeiter. Er mag dem Vergnügen nicht abgeneigt sein, die Vielzahl seiner Amouren ist schon fast legendär. Aber er sitzt auch schon frühmorgens in seinem Arbeitszimmer und widmet sich seinen Aufgaben als Verwalter des Kirchenstaates. Von diesem Geschäft versteht er viel, er war nicht umsonst der Vizekanzler von den vier Päpsten, die vor ihm im Amt waren.«
»Und wie ist er als Person?«
»Er hat zwei Gesichter, und das, was er bei guter Laune zeigt, ist angenehm. Menschlicher Anstand ist ihm keineswegs fremd. Er ist höflich, kann sich gut ausdrücken und ist charmant. Er ist ein guter Vater.«
»Du meinst, Vater der Kirche?«
»Ähm … nein, im buchstäblichen Sinne.«
»Wie viele Kinder hat er eigentlich?«
»Mindestens sieben, von denen alle Welt weiß, aber höchstwahrscheinlich viele mehr. Er versorgt sie mit Ämtern und Würden und Landbesitz. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Wenn man ihm etwas wirklich vorhalten kann, dann die Skrupellosigkeit, mit der er seine Kinder und seine übrigen Günstlinge auf Kosten der Kirche mit allem ausstaffiert, was die Welt zu bieten hat. Mit der Mutter seiner Lieblingssöhne war er viele Jahre zusammen, und er hat sich immer benommen wie ein treu sorgender Familienvater.«
»Er war verheiratet ?«, fragte Sanchia entgeistert.
Er lachte. »Du liebe Güte, nein! Bevor er Papst wurde, war er Kardinal! Selbstverständlich hat er das Zölibat eingehalten! Die Mutter seiner Kinder war verheiratet, aber mit anderen.«
»Mit Ehemännern im Plural?«, fragte Sanchia sichtlich fasziniert.
»Hintereinander«, schränkte er grinsend ein. »Er hat sie ihr persönlich ausgesucht und ihnen Posten verschafft. Überhaupt, im Postenverschaffen ist er ein Genie. Dass er heute der mächtigste Mann der Christenheit ist, verdankt er allein seiner Geschäftstüchtigkeit. Seine Tochter Lucrezia wurde aus Machtstreben schon dreimal verlobt und einmal verheiratet, und es heißt, dass auch diese Verbindung zugunsten eines einträglicheren Kandidaten wieder aufgehoben werden soll.«
»Wie abscheulich«, sagte Sanchia angewidert.
»Alexander vermehrt zudem den Reichtum der Kirche durch einen zügellosen Ablasshandel. Und er verkauft einen Kardinalshut nach dem anderen, meist an Männer aus seiner spanischen Sippschaft.«
»Das Wort dafür ist Nepotismus.«
Lorenzo nickte. »Seine Vorgänger haben es zu allen Zeiten nicht
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