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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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verstießen, sobald sie zusammen unter der Decke lagen. Heute Nacht hatte es mit den getrennten Lagerstätten kein Problem gegeben, denn die Gegend, in der sie Halt gemacht hatten, war einsam genug. Seine Männer hatten ihr Nachtlager in ungefähr fünfzig Schritt Entfernung hinter den Bäumen aufgeschlagen, dort, wo sie auch die Pferde angeschirrt hatten, und er selbst hatte darauf geachtet, dass ausreichend Platz zwischen den beiden Feuerstellen blieb, damit Sanchia und er ungestört waren. Ihre Ehe war noch zu jung, und er hatte Sanchia vorher zu lange entbehrt, als dass er seither auch nur eine einzige Nacht auf sie hätte verzichten wollen.
    Sie hätten ebenso gut bis Perugia weiterreiten und im bequemen Bett einer Herberge nächtigen können, doch Lorenzo hielt das für gefährlicher, als im Freien zu lagern. In der Lombardei, der Romagna, in Umbrien und im Latium – überall, wo man hinschaute, gab es Unruhen. Nicht nur die immer noch im Land befindlichen Truppenteile des Franzosenheers machten die Gegend unsicher, sondern vor allem kleinere Söldnerarmeen der örtlichen Feudalherren, die untereinander in Dauerfehde lagen. Kein Dorf war zu entlegen, um nicht Landsknechte anzulocken, die auf ihren Raubzügen mordend und brandschatzend die Gegend durchstreiften. Schwelende Konflikte wechselten ständig mit offenen Feindseligkeiten, und politische Freunde von heute waren oft die Todfeinde von morgen. Es war an der Tagesordnung, dass Adelshäuser sich verbündeten, um einen gemeinsamen Widersacher auszuschalten, und sich kurz darauf gegenseitig bekriegten. Während an der einen Stelle Unterhändler für einen gemeinsamen Waffengang warben, wurden sie bereits an der anderen vom vermeintlich Verbündeten verraten. Ob Herzogtum, Grafschaft oder Baronie – kein Herrschaftsgebiet war zu provinziell, um nicht gegen ständig wechselnde Feinde blutige Scharmützel auszufechten.
    Gefürchtet waren auch die Truppen des Papstes. Alexander VI., vormals Rodrigo Borgia, hatte einen Teil seines Reichtums dafür eingesetzt, sich die Papstwürde zu erkaufen, und baute seitdem sein Familienimperium zügig aus. Er schickte nicht nur seine Soldaten auf Feldzüge aus, sondern hielt in der Ewigen Stadt auch Hof wie ein antiker römischer Herrscher. Das Leben im Papstpalast war von Machtspielen und sinnlichen Ausschweifungen bestimmt.
    Lorenzo war nicht sehr angetan von dem Gedanken, seine junge Frau auf ihrer ersten gemeinsamen Reise ausgerechnet in das Sodom und Gomorrha des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts mitzunehmen, doch sie hatte sich entschieden geweigert, den Anfang ihrer Ehe allein zu verbringen.
    »Rom kann nicht schlimmer sein als Venedig«, hatte sie behauptet.
    Er wusste es besser, hatte sich aber gefügt.
    »Erzähl mir von Rom«, bat sie. Der Feuerschein warf flackernde Schemen über ihre sitzende Gestalt und ließ ihr Haar wie züngelnde Flammen aufleuchten. Den Umhang dicht um sich gezogen, saß sie neben ihm, eine Hand mit der seinen verschlungen. Seit sie einander im letzten Jahr wiedergefunden hatten, schien es ihr wichtig zu sein, ihn, so oft es ging, zu berühren. Sobald er ihr nah genug war, zögerte sie nicht, die Hand auszustrecken, um seine zu ergreifen. Manchmal reichte es ihr auch, einfach nur mit den Fingern seinen Arm zu streifen oder kurz ihren Kopf an seine Schulter zu legen. Es war, als müsste sie sich immer wieder vergewissern, dass er tatsächlich lebte und bei ihr war.
    »Rom«, begann er, »ist laut, übel riechend und schmutzig.«
    »Also wie Venedig«, lachte sie.
    »Schmutziger«, gab er belustigt zurück. »Denn es sind keine Kanäle da, die zweimal täglich den Unrat fortspülen. Nur ein paar kümmerliche Aquädukte, die aus der antiken Römerzeit übrig geblieben sind.« Ernster fügte er hinzu: »Es gibt den Tiber, ein Fluss, vor dem man sich hüten muss. Dort landen die Feinde der Mächtigen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht Opfer übler Verschwörungen herausgefischt werden.«
    Sie schauderte kurz, fasste sich aber rasch. »Also tun wir gut daran, nicht den Unwillen von Meuchelmördern zu wecken«, meinte Sanchia mit leiser Beklommenheit. Eilig wechselte sie das Thema. »Wie geht es denn am päpstlichen Hof zu?«
    Er verzog das Gesicht. »Ich ahne, was dich besonders interessiert, aber ich schwöre dir, ich war noch nie dabei. Gehört habe ich wohl viel von den freizügigen Festen in den Appartamenti Borgia, aber solche Zusammenkünfte sind nicht meine Sache.«
    Sie

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