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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Waffenlärm und Geschrei aus der Stadt zu hören, und über manchen Häusern stand schwarzer Rauch. Ein kleiner Zug zerlumpter Bauern kam ihnen entgegen, mit Säcken beladen, in denen sie einen Teil ihrer Habe mit sich schleppten. Mehrere von ihnen waren verwundet, und die Frauen, von denen einige weinende Kinder trugen, wirkten erschöpft und verzweifelt.
    Papsttruppen lieferten sich mit Männern der Orsini ein Scharmützel um eine Festung, und wie immer wurde dabei keine Rücksicht auf die Bewohner der Gegend genommen.
    Sie saßen ab, und Sanchia kümmerte sich um die Verwundeten. Sie verband bei einer alten Frau eine blutende Kopfwunde und nähte einen klaffenden Schnitt am Knie eines Kindes, das bei der Flucht über eine Sense gestolpert war.
    »So geht es seit Jahren«, sagte die Mutter des kleinen Jungen. Sie war hohlwangig, ihr Haar wirr und schmutzig, die Augen blickten verstört. »Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendwo eine Burg überfallen wird. Sie rauben und morden und brennen alles nieder, und wenn sie bei den Reichen keine Beute finden, holen sie es sich bei den Armen.«
    »Wer? Die Päpstlichen?«
    Die Frau zuckte nur die Achseln.
    Später, als sie weiterritten, meinte Lorenzo: »Es ist ein ständiger Wechsel. Mal sind es die Baglioni, mal die Oddi oder wie sie alle heißen – oder die Päpstlichen. Sie alle bekämpfen einander, es ist, als wären sie süchtig nach Streit. Nie weiß man, wer gerade mit wem unter einer Decke steckt. Sie belauern sich gegenseitig und legen Hinterhalte, wo es nur geht. Einer von ihnen hat einmal gesagt: Hast du zwei Feinde, tu dich mit dem ersten zusammen, um den zweiten niederzuwerfen, und danach töte den ersten. Nach dieser Devise leben hier alle, der römische Adel, die Dynastien in den umliegenden Provinzen, der Kirchenstaat. Das ist Rom.«
    »Dann muss es schrecklich sein.«
    »Nun, es ist schrecklich. Aber du wolltest mir ja nicht glauben.«
    »Wenn du bei mir bist, werde ich es schon aushalten.«
    Er grinste sie an. »Das wirst du auch müssen, denn ohne mich würdest du schnell unter die Räuber geraten.«
    Sie passierten den Hügel von Perugia in einiger Entfernung, und Sanchia war dankbar, dass sie im Freien kampiert hatten. Allein die Vorstellung, im Schlaf überfallen zu werden, war entsetzlich. Nach der beschwerlichen Reise verlangte es sie zwar nach einem Dach über dem Kopf, aber nichts war so wichtig, dass sie deswegen auch nur das geringste Risiko hätte eingehen wollen.
    Sie waren bis Rimini mit der Galeere gesegelt und hatten sich von dort auf den Weg nach Süden gemacht, mit einer Kavalkade von sechs schwerbewaffneten Söldnern, unter denen zwei waren, die Lorenzo schon häufiger auf seinen Routen zu den italienischen Städten begleitet hatten. Ihr Anführer war ein ungeschlachter, über sechs Fuß großer, von Pockennarben schwer gezeichneter Sienese namens Ercole, der Sanchia ein wenig an Girolamo erinnerte. Er war wortkarg, und in seinen Augen stand meist ein melancholischer Ausdruck. Für seine enorme Körpermasse hatte er eine unerwartet sanfte Stimme, und mit seinem Pferd ging er um wie mit einem zutraulichen Freund. Das war zumindest Sanchias Eindruck, bevor Lorenzo erwähnte, dass Ercole bei einem Scharmützel Anfang des Jahres eigenhändig mehr als dreißig Raubritter erschlagen hatte.
    Von Lorenzo erfuhr Sanchia außerdem, dass Ercole vor einem runden Dutzend Jahren Frau und drei Kinder durch die Pocken verloren und selbst die Krankheit nur knapp überlebt hatte. Seither zog er als Söldner durch das Land, vorzugsweise für das Haus Caloprini, sei es als Begleitschutz von Handelstransporten oder auf Lorenzos diplomatischen Reisen.
    Ercoles Stellvertreter hörte auf den Namen Tsing und war so klein, wie dieser groß war. Sein Alter war schwer zu schätzen, er konnte ebenso gut fünfundzwanzig wie fünfunddreißig sein. Er reichte Ercole kaum bis an die Brust und war zierlich wie ein Kind. Seine olivgelbe Haut und die geschlitzten Augen ließen ihn fremdländisch und auf unbestimmte Art drollig aussehen, fast wie eine Gestalt aus einem orientalischen Märchen. Sein Schwert war so lächerlich dünn und schmal, dass Sanchia sich fragte, wie er damit kämpfen konnte.
    Auf der letzten Etappe des Weges, zwischen den Ausläufern des mittleren Appenin und der Tiberebene, machten sie an einem kleinen Hügel Halt. In der Nähe gab es einen geschützt liegenden Teich mit klarem Wasser, wo sie sich erfrischen und ihren Durst stillen

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