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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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weder Willkommen noch sonst ein Wort, geschweige denn einen ganzen Satz. Stattdessen vergrub er sein Gesicht am Hals seiner Mutter und klammerte sich verschüchtert an ihr fest.
    »Er hat Angst vor Fremden«, erklärte Eleonora entschuldigend. Im nächsten Moment merkte sie, was sie von sich gegeben hatte, und sie errötete. »Oje, wie konnte ich das sagen! Verzeih mir! Und ihm auch! Er meint es nicht so!« Plötzlich machte ihr betretener Gesichtsausdruck blankem Erstaunen Platz. »Jetzt fällt es mir erst auf! Du hast vorhin geweint! Wie wundervoll!« Sie warf Lorenzo, der mit undeutbarer Miene im Hintergrund stehen geblieben war, einen scheuen Blick zu. Anscheinend hatte sie eine ungefähre Vorstellung, wer die Lücke in Sanchias Gefühlswelt geschlossen hatte.
    »Sei willkommen, Vetter«, sagte sie höflich. Lorenzo nickte und lächelte sie an. Dann musterte er wieder Sarpi, als könnte dieser im nächsten Moment auf ihn zuspringen und ihn beißen.
    Sanchia bedachte unterdessen das Kind mit sehnsüchtigen Blicken. Sie hätte den Kleinen gern mit derselben Herzlichkeit umarmt wie vorhin seine Mutter, doch wie konnte sie nach der langen Zeit erwarten, dass er noch wusste, wer sie war? Er war erst zwei und hätte nicht einmal seine eigene Mutter wiedererkannt, wenn diese länger als ein halbes Jahr fort gewesen wäre.
    So beschränkte sie sich darauf, ihm vorsichtig das Ärmchen zu streicheln. »Ich hab dich vermisst«, flüsterte sie. »Welches Bild hast du ihm gezeigt?«, fragte sie dann Eleonora. »Ich wusste gar nicht, dass es eins von mir gibt.«
    »Oh, Fausto hat es gemalt, aus dem Gedächtnis. Er malt wundervoll. Wir haben herrliche Bilder von Venedig. Von dir und von mir und von dem Kleinen – ach, ich könnte sie immerzu nur anschauen!«
    Sarpi lief rot an und streckte die Arme nach dem Kleinen aus. »Komm her, mein Freund. Deine Mutter soll jetzt nicht mehr so schwer heben.«
    Den Grund dafür hatte Sanchia schon bei ihrer Umarmung bemerkt: Eleonora war wieder schwanger. Sie trug ein weites Kleid, unter dem sich unmissverständlich ein Bauch abzeichnete.
    Sanchia berührte die Rundung sanft. »Wann ist es denn so weit?«
    »Ende September«, sagte Sarpi. Der Kleine schmiegte sich auf eine Weise an ihn, die keinen Zweifel daran ließ, wen er für seinen Vater hielt. Dabei war Agostino mittlerweile mehr denn je eine Miniaturausgabe seines wirklichen Vaters, mager, dunkelhaarig, mit großen, brombeerfarbigen Augen und störrisch abstehendem Haar.
    Lorenzo und Sanchia folgten ihren Gastgebern aus dem Vestibül in den gefliesten Innenhof, um den herum nach typisch römischer Bauweise die übrigen Räume angeordnet waren. Ein schmaler, säulengestützter Wandelgang säumte den kleinen, überraschend kühlen Patio, in dem ein runder Brunnen stand.
    »Wir haben unser eigenes Wasser«, sagte Sarpi mit dem Stolz des Hausbesitzers. »Das ist in Rom ein nicht zu unterschätzendes Gut. Viele Leute trinken aus dem Tiber, und das rächt sich. Im Sommer sterben sie wie die Fliegen. Ich predige ihnen unablässig, sie sollen das Wasser vor dem Trinken abkochen, doch die wenigsten wollen auf mich hören.«
    »Habt Ihr auch die Erfahrung gemacht, dass abgekochtes Wasser besser vertragen wird?«, fragte Sanchia interessiert. »Dasselbe haben Simon und ich ebenfalls festgestellt. Doch es hängt auch davon ab, wie rasch es danach getrunken wird. Lässt man es erst zwei Tage stehen, ist es nicht besser als das alte Wasser aus den Fässern.«
    »Eine Zeit lang habe ich den Versuch unternommen, dem Wasser Essig beizugeben, um es frisch zu halten.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie begeistert die Patienten davon waren«, warf Lorenzo verdrossen ein. Er hatte sich auf den Brunnenrand gesetzt und starrte hinein, wie um zu prüfen, ob es tief genug wäre, jemanden hinabzuwerfen.
    Sanchia überhörte ihn schlicht. »Auf diesen Gedanken sind Simon und ich auch gekommen!«, rief sie begeistert aus. »Es gibt wohl kaum eine Substanz, die nützlicher in der Krankenpflege ist als Essig!«
    »Essig, zu gleichen Teilen mit Alkohol und Wasser gemischt, ergibt ausgezeichnete Umschläge gegen Schwellungen«, sagte Sarpi. Er langte nach unten, um den kleinen Hund zu tätscheln, der sich auf der Suche nach Zuneigung an sein Bein drückte.
    Sanchias Augen leuchteten auf. »Ihr verwendet auch den Weingeist bei Euren Umschlägen?«
    »Wenn er ihn nicht aufgetrunken hat«, murmelte Lorenzo mit saurer Miene.
    »Falls einmal keiner zur Hand ist, nehme

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