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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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zusammen, ergriff aber Eleonoras andere Hand und drückte sie.
    Es gab Fälle, in denen Frühgeborene überlebten, doch dazu mussten sie mindestens sechseinhalb Monate ausgetragen sein. Auch von diesen starben dann noch die allermeisten in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt.
    Bei Eleonora war die Frage überflüssig. Das Kind kam viel zu früh. Es würde vielleicht eine Stunde leben, vielleicht zwei. Möglicherweise sogar einen ganzen Tag, wenn es zäh war, aber dann würde jeder Augenblick zu einer einzigen Qual werden, nicht nur für die Eltern, sondern auch für das Kleine, denn es würde leiden müssen bei seinen vergeblichen Versuchen, ausreichend Atem zu schöpfen. Sanchia hatte so viele Frühgeborene auf diese Weise sterben sehen. Wenn Gott gnädig war, nahm er es sofort zu sich.
    Eleonora hatte die Röcke hochgeschlagen und die Beine gespreizt. Mit dem Rücken in die Kissen gelehnt, starrte sie auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand, als könnte sie dort eine Erklärung dafür finden, warum alles so gekommen war.
    »Bete für mich, für das Kind und für Pasquale«, flüsterte sie mit bleichen Lippen. »Wenn ich nicht nur mit dem Leben des Kindes, sondern auch mit dem meinen bezahlen muss, sag ihm bitte, dass ich an ihn denke, wo immer ich sein werde.«
    »Was redest du da?«, schluchzte Sarpi. »Wovon sprichst du nur?«
    Sie antwortete nicht.
    »Ich liebe dich, Eleonora! Bitte, sei stark! Du wirst es überstehen! Wir werden andere Kinder haben, so viele du willst!«
    »Ach, Fausto«, murmelte sie.
    »Es ist so weit«, sagte Sanchia. Der Leib der Schwangeren spannte sich erneut, und unwillkürlich spreizte Eleonora die Beine weiter. Ein Schwall Fruchtwasser schoss hervor, der Rest, mit dem die endgültige Austreibung einsetzen würde.    
    Sarpi und Sanchia hielten Eleonoras Hände, als die nächste Wehe begann.
    Eleonora presste, bis die Adern an ihrem Hals hervortraten. Das Kind kam fast sofort, nach wenigen Augenblicken trat bereits der Kopf durch, und Sanchia war erleichtert, dass es jetzt bald vorbei sein würde. Es war furchtbar genug, vorher zu wissen, dass das Kind nicht überleben konnte, aber es dann noch unter stundenlangen Schmerzen gebären zu müssen war eine Prüfung, die das schreckliche Leid noch schlimmer machte.
    Sie ließ Eleonoras Hand los und nahm das Kind an sich. Es war winzig, ohne weiteres mit beiden Händen vollständig zu umschließen. Noch von Geburtsschleim bedeckt, war es dennoch ein vollkommenes menschliches Wesen, mit winzigen Fingern und Zehen und einem engelhaften kleinen Gesicht. Die dünnen Ärmchen bewegten sich kraftlos. Ein daumengroßer Fuß zuckte, die Augen rollten unter den bläulich geäderten Lidern. Ein hauchfeiner, kaum hörbarer Schrei drang aus dem Mund des Kindes und ließ Sarpi aufstöhnen. »Herr im Himmel, sei uns allen gnädig!«
    »Es lebt!«, schluchzte Eleonora. »O Gott, es lebt ja!«
    »Es wird sterben«, sagte Sanchia leise. »Es kann noch nicht richtig atmen.« Sie weinte, weil es ihr vorkam, als müsste sie ein Stück aus ihrem Herzen herausreißen. Ströme von Tränen erschwerten ihr die Sicht, während sie das Frühgeborene seiner Mutter in die Hände legte. »Es ist ein kleines Mädchen«, flüsterte sie.
    Sie versuchte, das sterbende Kind nicht anzuschauen, während sie es abnabelte und die Nachgeburt überwachte.
    »Willst du ihr einen Namen geben?«, fragte sie.
    Eleonora schaute zu ihr auf, das Gesicht aufgedunsen vom Weinen. Ihre Augen waren leer.
    »Ich möchte es taufen«, erklärte Sanchia angestrengt. »Soll ich einen Namen auswählen?«
    Sarpi strich dem Neugeborenen über das zarte Köpfchen, das dreimal in seine hohle Hand gepasst hätte. »Nennt es, wie Ihr wollt.«
    »Lasst uns zuerst ein Vaterunser zusammen sprechen.«
    Sie beteten gemeinsam, schnell und tonlos und von Schluchzern unterbrochen.
    Sanchia taufte das Kind, so wie sie schon vielen Kindern die Nottaufe gegeben hatte. Es war einfach und ging schnell, fast so schnell, wie die Kinder anschließend vor ihren Augen starben. Man brauchte nur etwas Wasser und ein paar fromme Worte.
    »Lieber Herr Christus, wir bringen dir auf deinen Befehl dieses Kind. Nimm es an und lass es zu einem Erben deines Reiches werden, so wie du gesagt hast: Lasset die Kinder zu mir kommen und verwehret es ihnen nicht, denn ihrer ist das Himmelreich. Ich taufe dich auf den Namen Albiera. In nomine Patri et Filii et Spiritus Sancti. Amen .«
    Gott war gnädig. Zu dritt blieben

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