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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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hölzernen Wachhäuschen und würfelten. Zwei wachhabende Soldaten standen mit aufgepflanzten Spießen vor dem Tor. Sie erkannten Sanchia und ließen sie passieren.
    Sie hatte vor, sich rasch umzuziehen und dann sofort Burchard aus dem Bett zu werfen, falls sie ihn dort vorfand. Der Papst hatte einen Schwur geleistet, und sie war entschlossen, ihn einzufordern. Mittlerweile hatte sie jede Hoffnung fahren lassen, Lorenzo auf diese Weise freizubekommen, doch wenn sie es nicht wenigstens versuchte, hätte sie ihm ebenso gut gleich selbst den Strick um den Hals legen können.
    Vor der Tür zu ihrem Gemach hockte Tsing reglos wie eine Statue, mit überkreuzten Beinen, den Rücken an die Wand gelehnt und die Augen halb geschlossen. Die Hände hatte er wie offene Schalen mit den Handflächen nach oben auf den Schenkeln liegen. Als sie näher kam, wandte er sich gelassen zu ihr um, als sei es völlig normal, dass er hier auf dem Boden saß.
    »Tsing, es tut mir leid. Ihr habt euch die ganze Nacht umsonst um die Ohren geschlagen.«
    »Ohren?« Wie immer klag das R in seiner Aussprache eher wie ein L .
    »Eine Redensart. Du und die anderen – ihr habt vergeblich gesucht. Er wurde verhaftet. Wenn er noch nicht hierher zurückgekommen ist, sitzt er immer noch im Kerker. Ich muss zum Papst. Entweder hält er seinen Schwur, oder ich …« Oder was?, dachte sie sarkastisch. Womit konnte sie ihm schon drohen? Dass er in die Hölle käme, wenn er wortbrüchig wurde?
    »Papst weggeritten, mit wenig Leuten.«
    »Wann?«, stieß sie ungläubig hervor.
    Tsing hob einen Finger.
    »Vor einer Stunde?«
    Er nickte.
    So knapp! Die Resignation erfasste sie so plötzlich und vollständig, dass ihre Beine sie nicht länger trugen. Es war, als hätte jemand abrupt alle Fäden durchschnitten, an denen sie die ganze Zeit noch notdürftig gehangen hatte. Sie sackte gegen die Wand und von dort zu Boden, mit dem Rücken angelehnt wie Tsing, nur wesentlich erschöpfter und nasser. Fröstelnd umklammerte sie ihre Knie.
    »Kammer gehen«, sagte Tsing. Er war lautlos aufgestanden und streckte ihr die Hand hin.
    »Du hast Recht«, sagte sie müde und ließ sich von ihm hochziehen. »Es sieht nicht gut aus, wenn wir beide hier im Gang hocken. Es sieht sowieso alles ziemlich schlecht aus.«
    Sie ließ ihm den Vortritt und versuchte krampfhaft zu ignorieren, dass die Luft in dem Gemach nicht nur zum Schneiden dick war, sondern dass auch immer noch schwache Spuren von Lorenzo im Raum schwebten. Der herbe Duft von dem Sandelholz, das er in der Tasche mit seinen Kleidern verwahrte, der leicht schwammige Geruch nach dem feuchten Leder seiner Stiefel, mit denen er gestern in eine Pfütze geraten war, das angenehm scharfe Aroma der Kräuterpaste, die er zum Reinigen seiner Zähne benutzte. In jedem Winkel des Zimmers schien er noch präsent zu sein, fast so, als wäre er nur für einen Moment hinausgegangen.
    Sanchia ließ sich auf die Bettkante sinken. Alle Glieder taten ihr weh, und das Brennen in ihrem Hals deutete ebenfalls auf nichts Gutes hin. Entweder brütete sie eine Erkältung aus, oder die Anstrengung der letzten Stunden war zu viel für sie gewesen. Vielleicht auch beides, doch wen kümmerte das schon.
    »Herrin«, sagte Tsing aufmunternd.
    Sie blickte auf. Er stand vor ihr und lächelte sie auf seine rätselhaft abgeklärte Art an.
    »Was möchtest du denn noch? Wo ist eigentlich Ercole, ist er mit den Männern zurück in euer Quartier gegangen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ercole immer noch weitersuchen, Franzosen auch, alle Mann verteilt in Stadt. Ich nur zurückkommen und Euch sagen, dass nicht gefunden.«
    »Es tut mir leid. Tsing, es tut mir alles schrecklich leid. Wie geht es eigentlich deinem … Hinterausgang?«
    »Sehr gut, Beule schön weg. Blutet noch, aber ohne Weh. Tsing jetzt Engelsburg gehen, Gefängnis schauen.«
    »Was?« Sie starrte ihn an, nicht sicher, ob er tatsächlich das gesagt hatte, was sie gehört hatte.
    »Engelsburg gehen. Wenn Herr dort sitzt, Tsing Herrn befreien.«
    »Ein kühner Plan«, sagte sie trocken. »Wenn mich nicht alles täuscht, stehen ungefähr dreißig Wachen rund um das Kastell.« Ein Blitz fuhr draußen in unmittelbarer Nähe nieder und leuchtete kurz und flackernd durch die angelehnten Läden herein, und fast im selben Moment folgte krachend der Donner. Sanchia fuhr zusammen.
    »Schlechtes Wetter, viel Regen. Borgia fort, Wächter faul. Nehme Gang durch Erde. Unten nur Kerker, nicht viel

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