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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Wachen.«
    Sie ahnte nur vage, was er meinte, doch sie war bereit, ihm bis ans Ende der Welt zu folgen, wenn er sie zu Lorenzo brachte. Anschließend würde sie sich mit Freuden einsperren oder vergiften lassen, Hauptsache, sie konnte ihn noch einmal sehen.
    »Ich gehe mit«, sagte sie.
    Tsing wiegte zweifelnd den Kopf.
    »Zu zweit fallen wir weniger auf«, behauptete sie.
    »Licht«, sagte Tsing, während er auf das Windlicht deutete, das immer noch vor dem Spiegel stand. Er holte ein Feuerbesteck aus dem Beutel an seinem Gürtel. Geschickt schlug er Feuer, zündete den Kerzenstumpen an und setzte ihn in den Glasbehälter. »Ihr tragen, ich Hände frei. Darum Ihr mitgehen. Nur wegen Licht tragen. Nicht fallen lassen. Bitte.«
    Sanchia nahm die kleine Laterne gehorsam an sich und folgte ihm, während sie sich krampfhaft fragte, was um alles in der Welt er vorhatte.
    Er huschte vor ihr her, schnell und so geräuschlos wie eine Katze. Als unvermittelt jemand ihren Weg kreuzte, hätte Sanchia um ein Haar die Kerze fallen lassen.
    Es war nur eine Zofe, die einen Stapel Wäsche vor sich hertrug. Sie grüßte freundlich und verschwand in einem der Zimmer. Sie gingen weiter, bogen um einige Ecken und stiegen schließlich eine Treppe hinab. Ein weiterer Gang folgte und danach noch eine Treppe, und Sanchia begann sich allmählich zu fragen, wo die vielen Wächter sich aufhielten, die sonst immer den Palast bevölkerten, als direkt hinter der nächsten Treppenbiegung ein paar Stufen unter ihnen ein Gardist auftauchte.
    Er hatte kaum Gelegenheit, zu ihnen hochzublicken. Tsing lächelte ihn freundlich an, während seine Hand hochfuhr und den Soldaten an der Kehle traf.
    Der Mann gab ein überrascht klingendes, pfeifendes Geräusch von sich und sackte in sich zusammen. Tsing packte ihn am Kragen, bevor er die Treppe hinunterpoltern konnte.
    »Ist er tot?«, fragte Sanchia entsetzt.
    »Nicht tot, schläft.« Wie zum Beweis trat er dem Gardisten in die Seite, der daraufhin leise stöhnte. Tsing hob beide Fäuste und donnerte sie dem Gardisten rechts und links gegen die Schläfen. Das Stöhnen hörte abrupt auf. »Schläft lange«, fügte Tsing hinzu. Wieselgleich schlüpfte er an dem Bewusstlosen vorbei, weiter nach unten in die Dunkelheit am Ende der Treppe. Sanchia folgte ihm mit wackligen Knien. Die Hand, mit der sie die Kerze hielt, zitterte so stark, dass der Widerschein an der Wand in flatternde Bewegung geriet. Immerhin wusste sie jetzt, warum sie die Kerze trug und nicht Tsing, obwohl er derjenige war, der vorausging.
    Die Treppe schien endlos weiter hinabzuführen und mündete schließlich in einen steinernen Gang, von dem staubige Türen abgingen. Tsing blieb vor einem hölzernen Tor stehen.
    »Hier Gang«, sagte er, während er an dem Tor rüttelte. Es war abgeschlossen. Tsing zog einen dünnen, gekrümmten Metallstift aus seinem Beutel und schob ihn in das Schloss. Er bewegte ihn einige Male und drehte ihn hin und her, bis das Schloss knackte und nachgab. Beim nächsten Versuch schwang das Tor knarrend auf.
    Der Gang vor ihnen erstreckte sich in völliger Finsternis. Wenn dies wirklich eine Verbindung vom Vatikanspalast zur Engelsburg war, musste sie mehr als tausend Schritte lang sein, mindestens über die Strecke des Borgo. Der Gang war kaum mannshoch und gerade so breit, dass zwei Menschen nebeneinander Platz fanden. Es roch nach Schimmel und Erde und ganz schwach nach Abwässern. Irgendwo in diesem Felstunnel musste es eine Verbindung zur Außenwelt geben, denn Sanchia spürte einen schwachen Luftzug, als sie weitergingen.
    Sie versuchte sich abzulenken, indem sie die Schritte zählte, aber ungefähr bei fünfhundert geriet sie aus dem Takt und hörte auf. Der Gang schien nicht enden zu wollen, doch irgendwann merkte sie, dass sie sich ihrem Ziel näherten, denn von vorn waren dumpfe Geräusche zu hören, ein Grollen und Rumpeln, das gleich darauf wieder verstummte.
    »Was war das?«, fragte sie erschrocken.
    »Donner«, sagte Tsing.
    Das Gewitter war offenbar immer noch in vollem Gange. Im Licht der Kerze tauchte vor ihnen eine Tür auf – sie hatten das Ende des Gangs erreicht. Auch dieser Durchgang war verschlossen, und sosehr Tsing auch mit seinem selbst gemachten Schlüssel das Schloss traktierte, er brachte es nicht auf. Sein rundes Gesicht wirkte im schwachen Licht der Kerze ausdruckslos, doch in seinen Augen loderte es. Er starrte die Tür an, dann trat er zwei Schritte zurück.
    »Achtung«, sagte er,

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