Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Augen hochgeschaut und gelächelt. Sie wusste, dass die Nonnen ihr Gesicht sehen konnten, und alle Gefährtinnen aus ihrer Kinderzeit sollten wissen, wie glücklich sie war.
Es war eine kurze, aber erhebende Zeremonie, und Sanchia war froh, dass sie ohne Caterina stattgefunden hatte.
Danach hatte Sanchia ihre Schwiegermutter nur noch zwei Mal gesehen, einmal am Ostermontag, als Giovanni seinen sechzigsten Geburtstag begangen hatte, und das andere Mal im vergangenen Oktober, als Rufio sich bei einem Treppensturz ein Bein gebrochen hatte. An diese zweite Begegnung im letzten Herbst dachte Sanchia nur ungern zurück.
Caterina war ganz plötzlich im Durchgang zum Portego erschienen, als Sanchia mit Lorenzo die Treppe zu Rufios Kammer hinaufgestiegen war.
»Ich weiß, dass du nicht sie bist und dass du nicht gekommen bist, um ihn mir wegzunehmen. Das wollte ich dir schon längst sagen.« Mit einem beinahe gütigen Lächeln war sie verschwunden, ebenso abrupt, wie sie aufgetaucht war.
Lorenzo hatte darauf verlegen und bekümmert reagiert. »Sie hat anscheinend heute wieder einen schlechten Tag.«
»Komm«, sagte er und nahm ihren Arm. Aus ihren Gedanken gerissen, ließ Sanchia sich nur zu gern von ihm aus der Kirche ins Freie führen. Die düstere Stimmung der Trauerfeier und die bedrückende Gegenwart ihrer Schwiegereltern waren ihr aufs Gemüt geschlagen.
Vor dem Portal blieben sie stehen, um auf Lorenzos Eltern zu warten. Caterinas Gesicht war unter dem dichten, dunklen Schleier kaum auszumachen. Sie hielt Giovannis Arm umklammert, als wollte sie ihn daran hindern, sie allein zu lassen.
»Ich bringe deine Mutter nach Hause«, sagte Giovanni leise. »Sie fühlt sich nicht wohl.«
Lorenzo nickte. »Ich fürchte, Sanchia ist ebenfalls ruhebedürftig. Wir werden nicht an dem Leichenschmaus teilnehmen.«
Sanchia spürte, wie Caterina sie durch den Schleier hindurch anstarrte.
»Sie erwartet ein Kind, nicht wahr?«
Sanchia fuhr zusammen, als hätte sie jemand bei etwas Verbotenem ertappt, doch dann hob sie selbstbewusst den Kopf. »Ja, allerdings.«
»Oh … ein Kind! Also wirklich!« Giovanni lachte, wie immer leicht gequält, als wäre jede Regung von Heiterkeit mit der größten Anstrengung verbunden. »Man sieht aber noch gar nichts.«
»Es ist noch zu früh«, sagte Lorenzo. »Wir rechnen Anfang Januar mit der Geburt.«
»Nach all den Jahren«, flüsterte Caterina. »Ich hätte nicht gedacht, dass das Schicksal euch noch ein Kind beschert.«
»Wir hatten auch die Hoffnung schon aufgegeben«, sagte Lorenzo freimütig. »Gerade hatten wir angefangen, uns damit abzufinden. Dann auf einmal hat es doch geklappt. Ihr könnt euch vorstellen, wie glücklich wir sind. Hoffentlich freut ihr euch, ein Enkelkind zu bekommen.«
Caterina und Giovanni schwiegen. Sie machten nicht den Eindruck, als wären sie sonderlich angetan von der Aussicht, Großeltern zu werden.
Der Abschied fiel kurz und förmlich aus, und Sanchia atmete hörbar aus, als ihre Schwiegereltern über die Fondamenta zu ihrer in Trauerfarben gehaltenen Gondel gingen. Rufio saß im Boot und wartete auf sie, in seinem roten Wams ein seltsamer Farbfleck vor dem schwarzen Hintergrund. Er hob die Hand und winkte kurz, als Sanchia zu ihm hinübersah. Sie nickte ihm freundlich zu, während er bereits damit beschäftigt war, Caterina in die Gondel zu helfen.
Lorenzo drückte ihren Arm. »Sie sind nicht gerade in Jubel ausgebrochen, wie? So richtig verstehe ich es nicht. Zumindest hätte ich erwartet, dass Mutter sich freut. Vater war schon immer ein Stockfisch, aber Mutter …«
»Nun, vielleicht stört es ihn, dass sein Enkel von einer Frau aus dem Volke geboren wird.«
»Das ist leider nicht auszuschließen«, gab Lorenzo zu. »Er ist nicht frei von Dünkel, tut mir leid, das über meinen Vater sagen zu müssen. Und für meine Mutter gilt dasselbe. Aber du weißt ja, dass sie … dass sie so sind.«
»Ich bin mit dir verheiratet, nicht mit ihnen«, sagte Sanchia mit mehr Gelassenheit, als sie fühlte. »Solange sie uns nicht besuchen und wir ihnen auch sonst aus dem Weg gehen können, will ich mich nicht beschweren.«
»Möglicherweise entspannt sich die Situation, wenn das Kind da ist.«
Sanchia glaubte keinen Augenblick daran und sparte sich daher die Antwort.
Lorenzo schwieg stirnrunzelnd. »Warte, bis mein Onkel von seiner Reise zurück ist«, meinte er schließlich. »Er ist ganz anders, viel lustiger. Er wird dich sofort ins Herz schließen
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