Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
vorzuweisen hatte als vorher. Es war nicht der gewaltige Vorbau, über den Eleonora sich seinerzeit so bitterlich beklagt hatte, aber doch eine ganz ordentliche Hand voll.
Lorenzo schob sich halb auf sie und legte sein Kinn zwischen ihre Brüste. »Du bist wirklich sicher, dass wir ihm nicht damit schaden?«
»Ganz sicher.« Sie bewegte sich träge und rieb sich an seinem Körper, denn sie spürte erneut ihr Begehren aufflammen.
Er reagierte sofort und packte sie, um sie an sich zu pressen.
Sie küssten sich, zuerst sanft, dann mit wachsender Leidenschaft.
Seit sie schwanger war, hatte sie mehr Lust auf ihn als je zuvor, es war fast, als sei sie unersättlich geworden. Sie hatte schon häufig von dem Phänomen gehört, doch aus eigener Anschauung zu erleben, wie es war, aus heiterem Himmel verrückt nach der Berührung eines Mannes zu sein, stellte alle ihre bisherigen Erfahrungen in den Schatten.
Lorenzo war begeistert und zugleich betört von dieser neuen Entwicklung, und er hatte scherzhaft gemeint, dass er stark in Versuchung sei, gleich im nächsten Jahr für ein weiteres Kind zu sorgen. Sanchia hatte dazu nichts gesagt. Maddalena hatte ihr versichert, dass alles in Ordnung war und dass die Schwangerschaft sich normal entwickelte. Sie selbst wusste es ebenso, und doch war die Furcht ihr ständiger Begleiter. Ein Kind, vielleicht zwei … Mehr zu wollen, hieß, das Schicksal herauszufordern, was zwar oft gut ausging, in einer Vielzahl der Fälle aber eben auch nicht. Für manche Frauen mochte es ein Trost sein, dass ihrer das Himmelreich mit seinen Jubelchören harrte, doch was sie selbst betraf, so zog sie es unbedingt vor, ihr Glück in diesem Leben zu erfahren. Die Beschreibung dessen, was danach kam, stammte von fehlbaren Menschen, klugen Köpfen zumeist, die genau erkannt hatten, wie trostlos das Dasein für den größten Teil des Volkes war und wie unverzichtbar somit die Verheißungen auf ein seliges ewiges Leben danach.
Manchmal schämte Sanchia sich solcher ketzerischer Gedanken, doch dann wieder sagte der Verstand ihr, dass letztlich niemand genau wusste, wie es im Paradies wirklich war. Schließlich war noch kein Mensch zurückgekommen, um davon zu berichten. Und dass sie bei all ihren sündhaften Gedanken einst im Himmelreich landete, war erst recht nicht garantiert. Folglich konnte es keinesfalls schaden, die zerbrechliche diesseitige Existenz sorgsam zu pflegen und allen überflüssigen Gefahren aus dem Weg zu gehen. Und das Leben zu genießen, solange es ging.
Sanchia glitt an Lorenzo hinab und umklammerte seine angespannten Schenkel.
»Was tust du?«, murmelte er atemlos.
Sie breitete ihr Haar über seine Beine und die Kissen aus. »So viel wie möglich von dem mitnehmen, was dieses irdische Jammertal uns zu bieten hat.«
Pasquale stand ratlos vor dem Ofen und kratzte sich am Kopf.
»Bist du sicher, dass es dir besser geht?«
Vittore starrte ihn aus rot geäderten Augen an und nickte. Er lag auf der Seite, halb verkrümmt wie ein Kanten Holz, der Wasser gezogen und sich beim Trocknen in der Sonne verformt hatte. Den unteren Teil seines Rückens hatte er an die Wölbung des Ofens gedrückt, damit die Wärme ihm den Schmerz aus diesem Teil seines Körpers ziehen konnte. Die Augen waren ihm wieder zugefallen, und er röchelte mit offenem Mund vor sich hin.
Der Geruch von Fäulnis, der von ihm ausging, war unbeschreiblich, und Pasquale hätte den Alten am liebsten am Kragen gepackt und ihn ein paar Mal in die Lagune getaucht. Doch er wusste natürlich, dass es sinnlos war. Sanchia hatte ihm schon letzte Woche gesagt, dass es dem Ende zuging.
»Seine Zeit ist gekommen. Er ist alt, sein Körper verbraucht. Es ist überhaupt ein Wunder, dass er es mit diesen offenen Beinen so lange ausgehalten hat.«
Pasquales schlechtes Gewissen war übermächtig geworden, als Sanchia ihm erläuterte, dass die vielen Zwiebeln, die Vittore immer verdrückt hatte, im Grunde die optimale Behandlung für seine Krankheit waren.
»Sie ziehen die innere Fäulnis heraus und reinigen das Blut. Der Alkohol war natürlich nicht gerade förderlich, aber gegen die Schmerzen sicherlich das Vernünftigste.«
Pasquale streckte zögernd die Hand aus und betastete Vittores Stirn. Er fand, dass sie sich immer noch feucht und erhitzt anfühlte, vielleicht sogar eine Spur heißer als vorher. Sanchia hatte ihm eingeschärft, sie holen zu lassen, sobald Vittore fieberte, doch allzu viel verstand er nicht davon. Die
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