Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
anfangen.«
»Niemand kann ihr das verdenken. Rom ist eine Kloake.«
Diese unmissverständliche Bemerkung aus seinem Mund kam für Sanchia nicht unerwartet. Er war seit seiner letzten Abordnung im Jahre 1497 nicht mehr in Rom gewesen, obwohl die Verantwortlichen im Großen Rat es gern gesehen hätten, wenn er weiter neben den ständigen Botschaftern die Geschicke der Serenissima im Vatikan vertreten hätte. Stattdessen hatte er es jedoch vorgezogen, Frankreich und Portugal Antrittsbesuche abzustatten. Frankreich hatte seit dem Unfalltod Karls VIII. einen neuen Herrscher, und Portugal verfügte über eine mächtige Flotte. Zwischen Venedig und den Türken tobte seit dem letzten Jahr wieder ein erbitterter Krieg, der auch Portugals Handelsinteressen gefährdete.
»Wenn Eleonora und Sarpi nach Venedig zurückkommen, werden sie einen Unterschlupf brauchen«, sagte Lorenzo nachdenklich.
Sanchia lächelte, sie wusste sofort, worauf er hinauswollte. Seit Jahren schmiedete er Pläne für ein neues Haus, und sie schaffte es jedes Mal, ihm dieses Vorhaben auszureden. Sie fühlte sich wohl in dem zweihundertfünfzig Jahre alten Palazzo, in dem ihre stürmische Liebe damals ihren Anfang genommen hatte, und nachdem Lorenzo weder Kosten noch Mühen gescheut hatte, das betagte Gemäuer instand zu setzen, erstrahlte es in so frischem Glanz, dass es pure Verschwendung gewesen wäre, diese Bleibe gegen eine andere zu tauschen. Ihr Haus mochte bei weitem nicht so groß und luxuriös sein wie die ausladenden, neu erbauten Palazzi am Canalezzo, doch dafür besaß es einen unverwechselbaren, altertümlichen Charme. Mit seinem ausgefallenen byzantinischen Maßwerk, den in die Fassade eingearbeiteten Schmuckplatten und den kunstvoll herausgemeißelten Votivfriesen musste es sich auch hinter den aufwändigsten Neubauten nicht verstecken.
»Wenn du unbedingt ein Haus bauen willst, dann tu es doch einfach«, sagte sie nachsichtig.
»Aber du würdest dann nicht drin wohnen wollen«, gab er mit hochgezogenen Brauen zurück.
»Nun ja, wenn dieses hier eines Tages zusammenfällt …«
Er lachte. »Also in ungefähr hundert Jahren.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn es schön ist, würde ich es mögen und auch dort leben. Aber versprechen kann ich es dir vorher nicht.«
Er legte seine Hand in ihren Nacken. »Du machst niemals leere Versprechungen. Das ist ein Wesenszug, den ich an dir schätze.«
Sie schaute verschmitzt zu ihm hoch. »Nur diesen?«
In seinen Mundwinkeln zuckte ein Lächeln auf. Er nahm ihr sanft die Feder aus der Hand und schob das Tintenfass beiseite. »Komm.«
»Wohin?«
Er zog sie hoch und legte einen Arm um sie. »Einfach nur mit mir.«
Sie liebten sich langsam und zärtlich, und als sie schließlich zur Ruhe kamen, wurden die Schatten draußen bereits länger. Die Sonne fing sich in dem silbernen Anhänger, den Sanchia abgelegt und an den Bettpfosten gehängt hatte. Die Muster, die sie an die Wände zeichnete, waren wie funkelnde Wellen auf einem Teich. Ihre Strahlen tauchten das Zimmer mit der hohen, bemalten Decke in ein unwirkliches Licht, und der große Spiegel mit dem geschnitzten vergoldeten Rahmen ließ die ineinander verschlungenen Gestalten auf dem Bett wie zwei Figuren aus einer urzeitlichen Legende wirken, eine Skulptur aus Bronze und Alabaster.
Vom Kanal drangen die Geräusche des ausklingenden Tages nach oben durch die halb geöffneten Läden. Der Gesang eines Flößers, das Summen von Fliegenschwärmen über vorbeitreibenden Abfällen, das Gluckern und Platschen des Wassers rund um den Sockel des Hauses, und über allem anderen das Rauschen der allgegenwärtigen Lagune. Es roch vage nach Holzrauch, Asche und dem Moschus ihrer verschwitzten Leiber.
Lorenzo strich gedankenverloren über die kaum wahrnehmbare Wölbung ihres Bauchs, und sie betrachtete fasziniert, wie sich ein Streifen seiner Haare unter ihren regelmäßigen Atemzügen bewegte, wie seidiger Tang unter Wasser.
»Dein Körper ist wundervoll«, sagte er leise. »Deine Haut – sie schimmert wie Perlen und Opale.«
»Das kommt von der Schwangerschaft.« Zufrieden fuhr sie mit der Hand durch sein Haar und spürte den Löckchen nach, die sich unter ihren Fingern wegbogen und dann wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkringelten.
»Du warst immer schon schön, aber jetzt …« Er widmete sich ihrer rechten Brust, bis Sanchia aufstöhnte. Es war nicht zu leugnen, dass sie durch die Schwangerschaft in dieser Hinsicht mehr
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