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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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formell gekleidet, in den Farben der Caloprini, Rot und Gold, verziert mit der Wappenstickerei des venezianischen Löwen auf dem Schulterbesatz seines Wamses. Seine Beine in den seidenen Calze waren straff und muskulös, und er stand leicht breitbeinig da, in der ausbalancierten Haltung eines Mannes, der einen großen Teil seines Erwachsenenlebens an Deck zahlreicher Schiffe verbracht hatte.
    »Wie schön, Euch … dich kennen zu lernen, Onkel.« Sanchia hatte vorgehabt, die Unterhaltung mit einer beiläufigen Höflichkeit zu eröffnen, doch ihre Stimme klang schon in ihren eigenen Ohren holprig und unsicher. »Setz dich doch.« Sie deutete auf die Sitzgruppe vor der Loggia, die den Blick auf das verschlungene Maßwerk des Außengeländers und ein Stück blauen Himmel freigab. Er wartete, bis sie selbst Platz genommen hatte, bevor er sich ebenfalls setzte. Aurelia brachte ein Tablett mit dem Kuchen und einer Karaffe Wein, eine willkommene Unterbrechung, die ihnen die Möglichkeit verschaffte, einander für einige entscheidende Augenblicke zu taxieren, bevor sie mit der Unterhaltung fortfahren mussten.
    »Ich hoffe, du hattest eine angenehme Reise. Was gibt es Neues aus der Weite der Ozeane zu berichten?«
    »Es ist das passiert, was wir schon seit Jahren vorausgesehen haben. Portugal hat neues Land entdeckt – und für sich beansprucht, gemäß den Richtlinien des Vertrages von Tordesillas.« Er lächelte ein wenig zynisch. »Den erwarteten Aufschrei hat noch niemand ausgestoßen.«
    »Vielleicht liegt das daran, dass Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckt hat. Die Aufregung darüber war gewaltig, auch hier. Für die Länder der bekannten Welt ist das sicher von höherem Interesse als ein fremdes Land, in das noch kein Europäer einen Fuß gesetzt hat.«
    »Vasco da Gama hat in der Tat den größeren Triumph errungen«, stimmte Francesco ihr zu. »Es wird sich bald auf die Gewürzmärkte auswirken, dass Portugal diesen Vorsprung gewonnen hat, und zwar sicher nicht zum Vorteil der Serenissima. Es wird nicht lange dauern, und der Preis für unseren Pfeffer aus Alexandrien wird zusammenbrechen.«
    »Ich nehme an, du hast bereits Pläne, die Compagnia gegen drohende Verluste abzusichern«, sagte Sanchia höflich.    
    »Die habe ich. Zunächst überlege ich, der Signoria Pläne vorzulegen, wie man die Landenge von Suez durchstechen könnte.«
    »Ein Kanal?«, fragte Sanchia überrascht.
    »Ganz recht«, bestätigte er. »Eine Seeverbindung zwischen Mittelmeer und Rotem Meer wäre die Lösung.«
    »Das wäre ein gewaltiges Unterfangen.«
    Er hob die Schultern. »Wenn Venedig es allein entscheiden könnte, wäre es zu realisieren. Aber andere müssten sich beteiligen, und vermutlich werden die Widerstände derart hoch sein, dass in den nächsten Jahren nicht daran zu denken sein wird. Daher bin ich in jedem Fall für neue Märkte gerüstet. Tuchhandel, Spiegel, Schmuck. Für die nächsten Jahre stehen eine Menge neuer Handelsabkommen an.«
    »Ich bin sicher, sie werden höchst erfolgreich sein, wie alle deine Unternehmungen.« Sanchia wandte sich an Aurelia, die keine Anstalten gemacht hatte, sich zurückzuziehen, sondern abwartend im Hintergrund stehen geblieben war, einen anbetenden Ausdruck in den Augen.
    Sanchia verkniff sich ein Lächeln. »Danke, Aurelia, du kannst gehen.«
    Die kleine Zofe lächelte dem Gast verschwörerisch zu, bevor sie leichtfüßig wie ein Zitronenfalter zur Treppe eilte.
    Francesco ließ mit keiner Regung seines Gesichts erkennen, dass er die Avancen der jungen Französin registriert hatte. Er musterte stattdessen Sanchia auf eine Weise, die sie unruhig in ihrem Sessel hin und her rutschen ließ.
    Sie schenkte Wein in zwei Gläser und reichte ihm eines, doch er stellte es sofort zur Seite. »Ich bin nicht durstig, danke.«
    »Kuchen?« Sie deutete auf einen der beiden Teller.
    Er schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich fürchte, ich hasse Mandelgebäck. Ich vertrage keine Mandeln und Nüsse.« Er ließ sie nicht aus den Augen. In seinem Blick glomm etwas auf, das ihr Angst machte.
    »Du weißt es, nicht wahr?«, fragte er unvermittelt. »Meine ganzen Bemühungen, damit hinterm Berg zu halten, so zu tun, als wäre … als wäre es nicht wahr … Die vielen langen Reisen, nur damit ich nicht …« Er hielt inne und holte Luft. »Alles vergebens.«
    Sie ließ das Stück Kuchen, das sie gerade zum Mund geführt hatte, zurück auf den Teller fallen. Ihre Wangen brannten, und sie

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