Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
tiefe Bewusstlosigkeit, und kaum kam sie zwischendurch einmal zu sich, wurde sie von furchtbaren Magenkrämpfen geschüttelt und übergab sich in quälenden, langen Stößen.
Sanchia schiente die Brüche und blieb eine Weile am Bett ihrer Schwiegermutter sitzen, bis sie schließlich erkannte, dass es nichts gab, was sie sonst noch für Caterina tun konnte – außer vielleicht zu beten. Sie glaubte nicht daran, dass Caterina den Sturz überleben würde. Kein Mensch konnte sagen, ob sie neben der offensichtlichen Vergiftung nicht auch schwere innere Verletzungen davongetragen hatte.
Nachdem Sanchia den Hausdiener weggeschickt hatte, um einen Priester zu holen, grübelte sie unablässig über die möglichen Hintergründe des Geschehens, doch letztlich konnte sie nur nebelhafte Vermutungen anstellen.
Es blieben zu viele Fragen offen, etwa die, welche Rolle Rufio bei dem ganzen Geschehen spielte. Der Sklave hatte nach dem Vorfall alle nur erdenkliche Hilfe geleistet, doch sein Gesicht blieb dabei ausdruckslos und verkniffen, es zeigte weder Furcht noch Erstaunen. Sanchia war sicher, dass er etwas wusste, doch ebenso unumstößlich war die Tatsache, dass er kein Wort über dieses Wissen verlieren würde.
Und schließlich dachte sie an Francesco. Konnte sie nach alledem wirklich sicher sein, dass er tatsächlich wieder zu einer Reise aufgebrochen war, oder war er womöglich noch in Venedig, vielleicht sogar ganz in der Nähe?
Giovanni war verstört und durcheinander, er hatte erklärt, dass er sich an nichts erinnerte, außer dass er mit Magenkrämpfen aufgewacht war. Er war schon mit heftigen Kopfschmerzen und Bauchweh zu Bett gegangen, und er hatte bereits vermutet, dass vielleicht der Fisch, den er und seine Frau zum Abendessen verspeist hatten, verdorben gewesen sein könnte.
Blieb schließlich noch die Frage, was Ambrosio mit der ganzen Sache zu tun hatte. Sanchia glaubte keinen Moment lang daran, dass er rein zufällig vor der Ca’ Caloprini aufgetaucht war.
Schließlich hörte sie auf, sich den Kopf zu zerbrechen, jedenfalls für den Augenblick. Es führte ohnehin zu nichts.
Sie war restlos erschöpft, von den Geschehnissen der vorangegangenen Nacht ebenso wie vom vielen ergebnislosen Nachdenken, doch sie dachte nicht daran, sich wieder hinzulegen. Stattdessen schickte sie einen der Diener zum Kloster San Lorenzo, um Girolamo zu holen.
Noch im Laufe des Morgens konnten sie den Krankentransport in Angriff nehmen. Girolamo hatte nicht nur überraschend schnell eine stabile Trage aufgetrieben, sondern auch einen kräftigen Helfer, einen berufsmäßigen Lastenträger, der das Kopfende der Trage hochhob, als wöge sie nichts.
Das Ganze war nicht ohne Risiko, und Sanchia hätte lieber darauf verzichtet, doch das war für sie mittlerweile undenkbar.
Für die Umlagerung hatte Sanchia die Methode angewendet, die sie auch für den Transport von Kranken im Spital einzusetzen pflegte: Girolamo und der Träger hoben Lorenzo einfach vorsichtig mitsamt dem straff gezogenen Laken vom Bett auf die Trage, auf diese Weise wurde sein Bein so wenig wie möglich bewegt. Sie stieß erleichtert den Atem aus, weil es entgegen ihren Befürchtungen problemlos klappte.
Er verschlief den größten Teil der Prozedur, denn er stand unter dem Einfluss einer weiteren Dosis Mohnsaft, die Sanchia ihm nach seinem Aufwachen verabreicht hatte. Die Schmerzen waren wieder schlimmer geworden, und die Aufregung über den Sturz seiner Mutter und die geheimnisvolle Vergiftung seiner Eltern hatte nicht gerade zur Verbesserung seines Zustandes beigetragen.
»Weglaufen ist keine Lösung«, murmelte er, als er zwischendurch kurz zu sich kam.
»Aber vielleicht unsere Rettung«, antwortete Sanchia ihm grimmig.
Um nichts in der Welt hätte sie es zugelassen, dass er hier blieb, schon gar nicht ohne sie.
»Meine Mutter«, flüsterte er. »Wer kümmert sich jetzt um sie?«
»Ich werde Simon holen lassen.« Falls sie überhaupt so lange lebt , fügte sie in Gedanken hinzu.
Ihrem Schwiegervater ging es mittlerweile besser, er war am frühen Morgen in einen unruhigen Schlaf gesunken, und den letzten Kamillensud, den der Diener ihm verabreicht hatte, hatte er bei sich behalten.
Auch bei Caterina war der Brechreiz abgeflaut, aber dafür war die Ohnmacht, die sie seit dem Sonnenaufgang gefangen hielt, von einer Besorgnis erregenden Tiefe. Es konnte gut sein, dass sie nie mehr daraus erwachte.
Girolamo und der Träger schleppten ihre Last vorsichtig
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