Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
legte sich seitlich um ihren Hals. Schlagartig wurde ihr die Luft abgeschnürt, und ihre Füße baumelten in der Luft, als sie für einen Moment hochgerissen und rücklings an einen hageren Körper gepresst wurde.
»Du Hure«, zischte eine Stimme in ihr Ohr. »Du elende Lilith, du Ausgeburt des Bösen und Mutter von Dämonen!«
Sie musste den Angreifer nicht sehen, um zu wissen, mit wem sie es zu tun hatte. Sein Geruch stieg ihr in die Nase, ekelhaft ranzig und stechend, nach altem Schweiß, verrottenden Zähnen und ungewaschener Haut.
Er zerrte sie in den kaum mehr als schulterbreiten Durchlass zwischen den Häusern und würgte sie dabei mit aller Kraft, bis sie ihre Sinne schwinden fühlte. Bevor sie ersticken konnte, würde er ihr den Kehlkopf zerquetschen.
»Ich habe lange gewartet«, keuchte er. »Immer wieder. Überall. Mit aller Geduld, die unser Schöpfer uns in den Tagen der Verzweiflung lehrt. Ich war da, damals und heute. Zuletzt musste ich mich verstecken, doch diese Schmach nahm ich gerne auf mich. Ich habe gebetet und gefastet und mich gegeißelt. Und gewartet. In dem Wissen, dich eines Tages doch zu erwischen!«
Um einen besseren Hebel für seinen Würgegriff zu haben, hatte er sie weit genug heruntergelassen, dass ihre Füße wieder das Pflaster berührten. Rote Nebel sammelten sich vor ihren Augen, während sie versuchte, ihn zu treten. Einmal erwischte sie einen bloßen Fuß, der trotz der Kälte nur in einer Sandale steckte, doch er nahm es hin, ohne auch nur zusammenzuzucken. Sein Griff lockerte sich leicht, aber nicht so weit, dass sie hätte Luft holen können. Gleich darauf drückte er ruckartig wieder fester zu – um einen Augenblick danach wieder locker zu lassen. Anscheinend wollte er es genießen, sie zu töten. Ob er es auch damals bei Albiera so gemacht hatte? Hatte er das Sterben der ohnehin todgeweihten Nonne auf dieselbe perfide Weise inszeniert?
»Du süße Tochter des Satans«, murmelte er von hinten in ihr Haar. »Du hättest so gut sein können, so rein. Wie ein Engel, mit deiner weißen Haut und den herrlichen goldenen Locken! Warum musst du so verdorben sein? Warum deinen Leib beschmutzen mit deinem eigenen Bruder?«
Er wusste es! Nur Caterina konnte es ihm gesagt haben! Sie musste ihn hergeschickt haben, um sie zu töten! Zuerst sie – und dann Marco und Chiara!
Voller Panik keilte sie nach hinten aus, gegen seine dürren Schienbeine, seine Fußknöchel und seine Knie. Sie wand sich und riss mit beiden Händen an dem Arm, der ihr die Kehle eindrückte, doch trotz seiner Magerkeit war er überraschend stark.
Er kicherte, und zu ihrem Entsetzen merkte sie, dass er erregt war. Sein Unterleib stieß auf obszöne Weise gegen ihr Hinterteil, und er rieb sich drängend an ihr, während er gleichzeitig seinen Würgegriff wieder verstärkte.
Er stieß sie mit dem Kopf voraus gegen die Hauswand, und sie schlug mit der Stirn so hart gegen die Mauer, dass sie für einige Augenblicke bewusstlos wurde. Als die Ohnmacht verflog, wurde sie gewahr, dass er seinen Griff abermals gelockert hatte, so weit, dass sie mit einem schmerzvollen Keuchen nach Luft schnappen konnte. Er ließ es zu, quetschte jedoch sofort darauf wieder ihren Hals zusammen, während er mit der anderen Hand ihr Gewand hochstreifte und gewaltsam seine Finger zwischen ihre Beine drängte. Sie war schlüpfrig und nass vom Wochenfluss und stöhnte bei seiner Berührung vor Ekel, das einzige Geräusch, dass sie unter dem harten Druck auf ihre Kehle zustande brachte.
Er interpretierte es auf seine Weise und spreizte ihr grob von hinten mit dem Knie die Beine.
Sie wand sich abermals, aber er presste sie zu fest gegen die Mauer, als dass sie ihm hätte ausweichen können.
Er nestelte an sich herum. »Warte! Ich gebe dir sofort, was du brauchst! Lust und Tod, beides gleichzeitig!«
Einen Herzschlag später war sie frei.
Keuchend griff sie sich mit beiden Händen an den Hals und tat das, wozu ihr Körper sie zwang: mit einem ziehenden Pfeifen Luft in ihre Lungen zu befördern, wieder und wieder. Als die Schwärze vor ihren Augen sich auflöste, sah sie in der hereinbrechenden Dämmerung zwei Gestalten miteinander ringen. Eine davon war Bruder Ambrosio, doch wegen der Enge der Gasse konnte sie hinter dem flatternden Stoff seiner Kutte nicht erkennen, wer ihr Retter war.
Erst als sie das Klappern von Holz auf Stein hörte, wusste sie, dass es sich um denselben Mann handelte, der sie schon mehrfach vor dem Tod bewahrt
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