Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
hatte sich früher lange gefragt, ob seine Haut wohl so weich war, wie sie aussah, und vor allem, ob all die Geschichten stimmten, die man sich über schwarze Sklaven erzählte. Manche sagten, es würde schamlos übertrieben, und wieder andere behaupteten, es sei jedes Wort davon wahr.
Soweit es Rufio betraf, trafen die Geschichten allesamt zu.
Er wirkte nicht begeistert, als sie im Türrahmen erschien. »Schon wieder?«, fragte er.
Sie verzog das Gesicht und spürte, wie Tränen und Wut in ihr aufstiegen. »Du bist undankbar! Soll ich dich verkaufen? Dich freilassen? Dich töten? Oder alles meinem Sohn erzählen?«
Sie sagte es, als wäre jede der genannten Möglichkeiten gleich schlimm. Vielleicht war das tatsächlich so. Zumindest das zuletzt Genannte wäre wirklich unerträglich für ihn, das erkannte sie an seinem Gesichtsausdruck. Wenn die schwarze Seele in diesem schwarzen Körper überhaupt jemanden liebte, dann allenfalls die lockige jugendliche Unschuld Lorenzo.
Rufio erhob sich, als sie sich unterwürfig dem Bett näherte. Er mochte es nicht, wenn sie sich herrisch gebärdete, also fügte sie sich, denn sie konnte nicht auf ihn verzichten. Niemand außer ihm konnte ihr dieses Gefühl vermitteln. Das Gefühl, eine lebendige Frau zu sein, nicht nur dieses hilflose, verkümmerte Wesen unter der blonden Perücke und dem seidenen Kleid. Der Alte nebenan gab ihr auch hin und wieder dieses Gefühl, aber sie konnte es nur seinen Blicken abgewinnen, während Rufio sie berührte, im wahrsten Sinne des Wortes.
»Habe ich dir heute schon gesagt, wie schön du bist?«, flüsterte sie, eine Hand nach seinem Gesicht ausstreckend.
Er wich ihr aus und trat gleichzeitig auf sie zu, ein Kunststück, das nur er fertigbrachte.
»Schweig«, sagte er grob, während er seine Hose öffnete.
»Du wirst dir das andere Bein auch noch wegsprengen«, sagte Sebastiano.
»Halt den Mund und gib mir lieber die Fackel.«
»Diesmal wird es uns bestimmt wegfegen.«
»Dann fliegen wir wenigstens gleich in den Himmel.«
»Du bist noch verrückter als dein Meister«, sagte Sebastiano bewundernd.
»Nicht halb so verrückt wie du.«
»Danke.« Der Alte griente. »Hast du die Ohren verstopft? Beim letzten Mal konnte ich drei Tage nichts hören.«
»Du bist doch sowieso schon fast taub.«
»Was hast du gesagt?« Sebastiano lachte keckernd, und Pasquale fuhr entnervt zusammen. Mit seinem eigenen Gehör war noch alles in Ordnung, auch ohne Ohrenstöpsel. Der Alte war ein Fanatiker und besessen von seinen Pulvern. Er träumte davon, den Dogenpalast in die Luft zu sprengen, hilfsweise zumindest ein Bordell in Dorsoduro, das eine Frau betrieb, die ihn vor Jahren verschmäht hatte – mit der Begründung, dass er verrückt wäre. Nun, was das betraf: Der Alte war verrückt, aber darüber machte Pasquale sich keine Gedanken.
Der Metallhändler hockte auf dem Bootsrand, triefend vor Meerwasser und Algen. Er war vorhin beim Aussteigen gestolpert und ins Wasser gefallen. Pasquale konnte von Glück sagen, dass er das Pulver und die Tasche mit dem Zubehör zum Feuerschlagen selbst schon vorher an Land getragen hatte. Sobald das Pulver nass wurde, war es unbrauchbar, genau wie der Zunder und die Baumwollschnur für die Lunte.
Das klägliche, von knorrigen Mangroven bewachsene und im Sumpf erstickende Inselchen unweit von Torcello war nicht das erste Mal die Anlaufstelle für eines ihrer Experimente, aber möglicherweise hatte Sebastiano Recht, wenn er sagte, dass sie sich bald eine andere Insel würden suchen müssen. Sie hatten bereits einen erklecklichen Teil davon weggesprengt.
Den Fischern, die hin und wieder ihre Boote längsseits brachten, angelockt durch den ohrenbetäubenden Radau, erzählten sie, dass sie für ein Feuerwerk experimentierten. Das hinderte die Männer zwar nicht daran, aus sicherer Entfernung zuzuschauen, hielt sie aber davon ab, weitere Fragen zu stellen, bis auf einen der Fischer, der wissen wollte, ob man die Explosionen auch unter Wasser erzeugen könnte. Sein Interesse war jedoch eher beruflicher Natur, es ging ihm vermutlich darum, möglichst arbeitssparend Fische zu fangen.
Mittlerweile war die Handhabung des Pulvers für Pasquale fast so vertraut geworden wie das Glasmachen. Es kam hier wie dort auf die richtige Mischung an. Auf hundert Teile kamen fünfundsiebzig Teile Salpeter, fünfzehn Teile Kohle aus dem Holz des Faulbaums und zehn Teile reiner Schwefel. Alle Ingredienzien mussten einzeln fein
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