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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Darin sehe ich unsere Zukunft.«
    »Jetzt sag es ihm schon«, forderte Caterina ihren Schwager mit funkelnden Augen auf. »Ich möchte sein Gesicht sehen, wenn du ihn fragst!«
    Francesco tat es ohne Umschweife. »Lorenzo, möchtest du mit nach Syrien?«
    Pasquale stand am landseitigen Tor des Palazzo und starrte die Schnitzereien an, mit denen die Holzpforte verziert war. Sogar die für das gemeine Volk vorgesehene Rückseite des Hauses strotzte nur so vor Eleganz. Die Motive der Holzschnitzereien waren nicht, wie sonst vielfach üblich, religiöser Natur, sondern profan, wenngleich nicht etwa im Sinne von gewöhnlich. Es waren erlesene Darstellungen aus der Welt des Orients. Frauen mit Schleiergewändern und Männer mit Turbanen und Krummsäbeln, ein Figurenensemble in einer eigentümlich höfischen Ausführung, die den Schluss nahelegte, dass der Holzschnitzer sich vermutlich so das Innere eines Harems vorstellte. Das Ganze war umrahmt von arabesken Motiven, in denen wochenlange Arbeit stecken musste.
    Die Caloprini hatten weder Kosten noch Mühen gescheut, um ihr Refugium mit dem teuersten Schmuckwerk auszustatten, das in Venedig zu haben war.
    Pasquale trat einen Schritt zurück, um zum Piano nobile hinaufzuschauen. Auch die Fenster sprachen ihre eigene Sprache. Pasquale konnte nichts gegen das plötzliche Brennen in seinen Augen ausrichten. An diesem Ort, in diesem Haus, hatte die Kunst der Glasherstellung ihre höchste Vollendung erreicht. Hier fiel das Licht durch Scheiben, die Piero Foscari kurz vor seinem Tod geschaffen hatte. Opalisierende, blaue, rote und goldene Flächen in dünner Bleifassung, strahlende Inseln im Schein der Wintersonne.
    Augen aus Licht, die das Interesse des Betrachters magisch anzogen und alle Blicke auf das Haus fokussierten. Meister Lombardo hatte den Rahmen geschaffen, aber das eigentliche Kunstwerk stammte von Piero, dem Glasbläser. Es war die Arbeit der letzten drei Tage vor seinem Tod.
    Pasquale hatte auch heute nicht erwartet, dass man ihm die Pforte öffnen würde. Seit seinem Klopfen mussten schon Minuten vergangen sein. Er wusste selbst nicht, warum er immer noch hier herumstand. Von Zeit zu Zeit versuchte er sein Glück, doch irgendein Diener schickte ihn regelmäßig weg. Manchmal war es die Küchenmagd, manchmal der schwarze Sklave, einmal auch der Junge. Immer hieß es, die Herrschaften seien nicht anwesend, niemand wisse Bescheid. Oft genug wurde ihm überhaupt nicht aufgemacht.
    Pasquale verlagerte sein Gewicht, um den Stumpf zu entlasten. Zuweilen merkte er nicht rechtzeitig, dass er falsch stand. Er stolperte nicht mehr so häufig, wenn er das Gleichgewicht verlor, aber wenn es doch einmal passierte, verursachte das Schmerzen, an denen er noch einen Tag später zu kauen hatte.
    Wenn er in Venedig zu tun hatte, nahm er einen Stock mit, damit war er recht gut zu Fuß – sofern er überhaupt mehr als ein paar Minuten zu laufen hatte. Für einen Krüppel hatte die Lagunenstadt unbestreitbar ihre Vorteile. Mit der Gondel war er genauso schnell an seinem Ziel wie der flinkeste Läufer.
    Die Tür blieb weiterhin verschlossen, obwohl im Haus Geräusche zu hören waren. Pasquale sagte sich, dass er vielleicht besser nicht mehr wieder herkommen sollte.
    Er hatte keine Ahnung, wieso er es wieder und wieder versuchte. Es ging ihm nicht um das Geld, obwohl das der Vorwand war, unter dem er hier auftauchte. Vielleicht wollte er die Menschen sehen, die ihm den Mann genommen hatten, der ihm Lehrmeister, Vater und Bruder zugleich gewesen war.
    Er hatte sich bereits zum Gehen gewandt, als ihm die Pforte zu seiner Überraschung doch noch geöffnet wurde. Der schwarze Sklave erschien auf der Bildfläche, gefolgt vom Hausherrn persönlich, Giovanni Caloprini. Beide blieben wie angewurzelt stehen, als sie des Besuchers ansichtig wurden, und Pasquale begriff, dass sie nicht damit gerechnet hatten, hier jemanden anzutreffen. Offenbar wollten die beiden gerade das Haus verlassen.
    »Was wollt Ihr?«, fragte der Sklave.
    »Geld«, stieß Pasquale hervor, obwohl das Wort, das wie Säure in seiner Kehle brannte, Gerechtigkeit lautete.
    »Seid Ihr ein Lieferant?«, fragte Giovanni Caloprini.
    Pasquale hätte ihm gern das höfliche Lächeln aus dem Gesicht geschlagen.
    Der Sklave betrachtete ihn in einer Mischung aus Missmut und Bedauern. »Es ist der Gehilfe des Glasmachers.«
    »Glasmacher?« Giovanni runzelte die Stirn.
    »Er hat die Fenster gemacht. Ihr erinnert Euch sicher, Domine

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