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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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zermahlen und anschließend vermischt werden, eine stundenlange Arbeit. Das Pulver wurde dann feucht gepresst, getrocknet und erneut gemahlen. Pasquale hatte inzwischen festgestellt, dass eine grobe Körnung eine bessere Explosivkraft entfaltete. Für eine Detonation waren dann nur noch ein festes Gefäß und ein Funken nötig, der das Gemisch entzündete. Ohne die Dämmung durch eine Hülle brannte das Pulver lediglich ab. Der Alte hatte ihn gewarnt, dass das Pulver ab einer bestimmten Menge von allein explodieren könnte, doch das war bisher nicht passiert, obwohl er die Pulvermenge beständig steigerte. Allerdings tat er die Warnung Sebastianos nicht leichtfertig ab, sondern sah sich vor. Er achtete stets darauf, das Pulver in mehreren kleineren Mengen getrennt voneinander zu transportieren.
    »Wen willst du damit umbringen?«, fragte Sebastiano. »Willst du es mir nicht endlich verraten? Ich habe dir meine Geheimnisse ja auch offenbart!«
    »Ich will im nächsten Jahr ein Feuerwerk zu Ehren des heiligen Markus abbrennen«, log Pasquale ungerührt. Eines Tages würden Büttel des Zehnerrats den Alten verhaften und auf der Folter seine Zunge lösen. Dann würde Sebastiano nur die lautere Wahrheit sagen und ausschließlich Ehrenvolles über ihn preisgeben.
    »Bist du so weit?«, fragte Sebastiano. Speichel hatte sich in seinem zahnlosen Mund gesammelt, und in seinen Augen funkelte die Vorfreude.
    »Sofort.« Pasquale hatte die Mischung in einen schweren Tontopf gefüllt, den er mit einem festen Deckel versah. Je dichter die Füllung und der Luftabschluss, desto größer der Knall. In den Deckel war eine Öffnung für die Lunte gebohrt, die diesmal von gebührender Länge war.
    Pasquale setzte sich ins Boot und vergewisserte sich, dass Sebastiano bereitstand, ihm das Ruder zu übergeben.
    Er hielt die Fackel an die Lunte, die sofort zu glimmen begann.
    »Und los!«, schrie er, dem Alten das Ruder entreißend.
    Die Lunte brannte viel schneller ab, als er erwartet hatte. Hektisch begann er, das Boot vom Ufer wegzustoßen. Ein paar Möwen erhoben sich kreischend und flügelschlagend aus dem dichten Geäst der Mangroven. Zu spät merkte er, dass sich das Bootstau in einer Wurzel verfangen hatte. Er riss und zerrte und schaffte es endlich, das Hanfseil zu lösen, doch als er mit dem Boot freikam und mit dem Rudern anfing, war die Lunte schon bis auf einen erbärmlichen Rest verkohlt.
    »Heiliger Herr Jesus Christus«, kreischte Sebastiano. Er schlug ein Kreuzzeichen nach dem anderen, und in seinen Augen leuchtete ein unheiliges Feuer. »Gleich kommen wir zu dir, o du süßer Erlöser!«
    Pasquale knirschte mit den Zähnen und schob das Ruder ins Wasser. Eins, zwei, drei …
    Er kam bis sieben, dann flog die Welt um ihn herum in die Luft.
    Sanchia unterdrückte ein Gähnen. Die Hände gefaltet, das Gesicht wie zum Gebet gesenkt, fragte sie sich, ob dieser Gottesdienst jemals enden würde. Sie hätte im Stehen einschlafen können, oder, wie in diesem Fall, im Knien, eine Stellung, die sie ihre Erschöpfung noch stärker spüren ließ. Sie hatte die ganze letzte Nacht bei einer Amputation zugeschaut und anschließend eine Entbindung beobachtet. Sie hatte sogar das neugeborene Kind baden dürfen, ein verstörendes und zugleich beglückendes Erlebnis.
    Als Albiera sie am frühen Morgen zurück in ihre Zelle geschickt hatte, war sie dummerweise Bruder Ambrosio in die Arme gelaufen. Der Dominikaner hatte den Finger gehoben.
    »Horch! Es läutet zur Prim! Wohin willst du denn, mein Kind?«
    »Ins Bett«, hätte sie um ein Haar geantwortet. Natürlich hatte sie es noch rechtzeitig in ein »Zum Gebet« umgewandelt, in der Annahme, sich wenigstens nach der Frühmesse sofort hinlegen zu können.
    Doch es war den ganzen Tag etwas dazwischengekommen. Eine der älteren Nonnen hatte einen hysterischen Anfall, weil ihr Hündchen gestorben war. Sie verdächtigte allen Ernstes den Dominikanerpriester, das Tier vergiftet zu haben, nachdem dieser ihr schon hatte verbieten wollen, ihre Hühner in der Kammer zu halten. Ihr Geschrei erfüllte den gesamten Zellenbau, an Ruhe war nicht zu denken gewesen. Um die Mittagszeit schließlich war der Stallknecht von einem der sonst sehr friedlichen Schweine gebissen worden, eine Aufsehen erregende Attacke, die er trotz der Fragen, die von allen Seiten auf ihn einstürmten, nicht begründen konnte. Mit rot angelaufenem Gesicht und beharrlich schweigend hatte er sich von Albiera verarzten

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