Die Mächte des Feuers
schossen, brachten ihn zu einem lauten Kreischen. Er warf sich auf den Boden und schlug mit dem Schweif um sich, zerstörte die gehorteten Kunstschätze und alles, was den Kampf zwischen ihm und Gessler überstanden hatte.
Noch mehr Hitze breitete sich in seinem Körper aus, sammelte sich in seiner Brust und wurde sengend wie Säure. Gorynytsch spürte, dass sich sein Brustkorb verschob, die Knochen sich dehnten und sein Rücken sich verbreiterte. Gleich darauf machte der Schmerz ihn auf sämtlichen Augen blind, er sah nichts mehr als Helligkeit, flatterte schwach mit den Schwingen – und lag still.
Es dauerte eine Weile, bis er das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Er stand auf, faltete die Flügel und bewunderte sich trotz der Schwäche, die in ihm steckte. Auf den zertrümmerten Resten eines auf Hochglanz polierten Sarkophags sah er sich und seine sechs Köpfe. Wenn er nicht genau wüsste, welchen Hals er herausgerissen hatte, damit zwei neue nachwuchsen, hätte er nicht einmal sagen können, welcher von dem halben Dutzend der frisch geborene war. Sie glichen sich bis ins Detail, und darauf war er sehr stolz. Er hatte auch schon andere Exemplare gesehen, die mit ihren vielen Köpfen wie willkürlich zusammengestellt wirkten. Kein Vergleich zu ihm. Nun trennte ihn nur noch ein zusätzliches Haupt von seinem Ziel.
Gorynytsch sah sich in dem zerstörten Saal um, die Blicke schweiften über die Leichname und Reste der Einrichtung. Hier stellten sich ihm keine weiteren Gegner mehr entgegen. Mit viel Beherrschung zwang er seinen Körper zu schrumpfen und ein menschliches Äußeres anzunehmen. Aus dem Drachen wurde der gut aussehende Eris Mandrake, der nackt im Chaos stand.
Leise pfeifend ging er zu seinem Koffer, der noch immer neben dem Eingang stand, öffnete ihn und zog nacheinander Unterwäsche, Socken, schwarze Hose, weißes Hemd und ein sportliches Sakko an; braune Stiefel und ein dicker Pelzwintermantel folgten, den Abschluss bildeten schwarze Handschuhe und ein modischer Hut.
Eris suchte in einem Nebenfach und zog einen Uniformknopf hervor, der einmal an Silenas Uniform gehört hatte. Sie hatte nicht gemerkt, wie er ihn am Abend im Coco Club vom Mantel gestohlen hatte. Außerdem nahm er einen Dolch aus Drachenbein, wie ihn die Drachentöter des Officiums gebrauchten, und schlenderte hinüber zum Leichnam des Versicherungsdetektivs.
»Jetzt kommen Sie ins Spiel, Mister Skelton«, sagte er leise lachend, bückte sich und rammte ihm das Messer bis zum Heft in den Rücken; danach drückte er den Knopf in dessen Finger. »Sie hätten der Großmeisterin nicht vertrauen dürfen.«
Im Gang erschallten laute Stimmen. Offenbar war man in der Hofburg auf einen Eingang in das Tunnelsystem gestoßen und erkundete es.
»Machen wir es noch ein bisschen theatralischer, Mister Skelton. Was meinen Sie?« Eris malte vor dem Toten mit Blut das Wort Silena auf den hellen Teppich. »Sehr schön gemacht, Sir. Im Todeskampf Ihre Mörderin denunziert.« Er erhob sich und sah zum zweiten Ausgang der Halle. »Mister Skelton, ich verlasse mich auf Sie. Sorgen Sie dafür, dass man die Großmeisterin wegen Mordes verhaftet. Ich hätte gern einen Vorsprung.« Dann schritt er hinaus.
Auf dem Weg nach draußen musste er aufstoßen, und der Geruch, der aus seiner Kehle nach oben drängte, war widerlich. Es schmeckte nach Horn. Menschen mundeten wesentlich besser und lagen nicht so schwer im Magen.
22. Januar 1925, Innsbruck (Zisleithanien), Kaiserreich Österreich-Ungarn
Armin Wagner, der Erste Sekretär der Niederlassung des Officium Draconis Austria, hatte die Wunde gesäubert, vernäht und legte Silena einen Verband über der Einstichstelle an. Er öffnete den Mund.
»Es ist unnötig zu sagen, dass ich mich schonen soll«, kam sie ihm zuvor und zog das Hemd wieder an. Es war ihr unangenehm, vor einem fremden Mann im seidenen Büstenhalter zu sitzen. »Leider nicht machbar.« Silena wandte sich ab, während sie die Knöpfe schloss. Sie mochte es nicht, ihre empfindliche weiche Haut zu zeigen, und beeilte sich, die raue Schale anzulegen.
Er wich ihrem Blick aus. »Großmeisterin, ich weiß, dass ich mich eines Vergehens schuldig gemacht habe. Wir haben die Neutralität zu wahren, ganz gleich, was sich in dem Land abspielt, in dem sich die Niederlassung des Officiums befindet.«
»Ich habe davon gehört, Herr Wagner«, sagte sie. »Aber mir ist nicht entgangen, mit welcher Härte die Husaren des Kaisers vorgingen.« Sie spürte
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