Die Mächte des Feuers
vorsichtshalber noch ein Team nach Cornwall senden, das nach dem Rechten sieht. Gute Jagd, Großmeisterin.«
Silena legte ohne einen Gruß auf. Sie ärgerte sich über die unumstößliche Anweisung, den Gargoyles nichts anzutun. Ihr Blick richtete sich auf die steinerne Balkenstütze. »Es ist nicht richtig, dass wir euch nicht auslöschen«, zischte sie. »Hoffentlich geht ihr alle gegen die Drachen drauf.« Sie zog die Handschuhe an, stellte den Kragen ihres Mantels hoch und verließ den Raum. Durch den Flur hinaus gelangte sie ins Freie.
Es war früher Morgen, die Luft war klar und salzig. Lichtstrahlen bohrten sich durch die schnell ziehenden Wolken und beleuchteten den Mont-Saint-Michel. Alle paar Lidschläge verschwanden sie, um an anderer Stelle auf das Mauerwerk, die Ziegel oder das Pflaster zu scheinen.
Silena stand in der engen Gasse des Fischerdörfchens unterhalb der Kathedrale. Grigorij hatte neben der Tür auf sie gewartet. Auf den umliegenden Dächern saßen die unterschiedlichsten Wasserspeier, die aus leuchtend smaragdenen und weißen Augen auf sie herabstarrten.
Es herrschte gespenstisches Schweigen, nur das Schreien der Möwen und ein einsames, tönendes Windspiel erklangen. Als die Michaelsglocke schlug, sprang Cyrano von einem der Dächer, breitete die Flügel aus und glitt sanft auf die Erde nieder.
»Wir sind da, Drachentöterin. Sieben Erwachte stehen bereit, um den Schädel des Aubert zu verteidigen.« Er zeigte hinauf zur Kathedrale. »Sollte die Stimme des Erzengels nicht ausreichen, werden wir die Drachen aufhalten.«
»Es ist Verstärkung auf dem Weg«, meinte sie. »Du musst mir sagen, wo du den Schädel verborgen hast. Nur dann können wir die Verteidigung so organisieren, dass niemand in seine Nähe gelangt, der ihn nicht besitzen soll.«
Cyrano lachte. »Nein, Drachentöterin. Gerade weil ich ihn verborgen habe, ist er sicher. Vor dir und vor allen, die Böses damit anrichten wollen.«
»Das Officium…«
»Das Officium ist mir gleichgültig, Drachentöterin. Wir kämpfen zusammen mit dir und deinen Freunden, aber ich werde es nicht zulassen, dass ihr den Fluch von uns nehmt und wir erneut zu Dienern werden«, fiel er ihr hart ins Wort. »Wir selbst befreien unsere versteinerten Freunde. Keiner sonst.«
»Das verstehen wir«, schaltete sich Grigorij schnell ein, um zu verhindern, dass Silena in ihrer Wut etwas Unbeherrschtes sagte.
Sie ging einen Schritt auf den Gargoyle zu. »Aber du stehst mit deinem Leben für die Sicherheit des Schädels ein«, sagte sie drohend. »Ich werde es mir nehmen, wenn du versagst. Das ist ein Versprechen und«, sie hob den Kopf und blickte die übrigen Wasserspeier an, »keiner von euch wird mich daran hindern können!«
Cyrano deutete eine Verbeugung an. »So soll es sein. Du wirst deine Rache für den Tod deiner Brüder erhalten«, sagte er und traf damit die Wahrheit, die hinter ihrer Äußerung steckte.
»He, ihr da unten! Ein Flugzeug!«, rief Farou zu ihnen herunter und winkte mit den Armen, dann deutete er nach Nordwesten. »Es brennt!«
»Arsenie«, sagte der Russe sofort.
»Wir gehen nachsehen.« Cyrano stieß sich ab und entfaltete die Schwingen; kräftige Schläge brachten ihn aus der schmalen Gasse hinauf in den Himmel. Seine drei Artgenossen, die ebenfalls Flügel hatten, folgten ihm.
Die übrigen hopsten mit großen Sprüngen von Dach zu Dach und erklommen die Steilwände der Kathedrale. In Windeseile befanden sie sich hoch oben auf dem Gotteshaus, während Silena und Grigorij nichts anderes übrig blieb, als den steilen, gewundenen Weg zu nehmen.
Keuchend gelangten sie auf das kleine Plateau. Von ferne drang das Geräusch eines stotternden Motors zu ihnen hinauf.
»Das ist nicht gut«, befand Silena und hob das Fernglas, das sie um den Hals trug.
Die Maschine, eine Curtiss, versprühte aus dem Motor dunkle, fette Wolken. Etwas hatte den Antrieb beschädigt, und an einer Stelle züngelten kleine Flämmchen. Die Bespannung und die Bleche waren an einigen Stellen abgerissen worden, das Heck der Maschine sah angesengt aus: Ein Drache musste das Flugzeug derart zugerichtet haben.
»Ein Wunder, dass sie es überhaupt bis hierher geschafft hat«, murmelte sie, auch wenn es ihr missfiel, der ungeliebten Französin Anerkennung zollen zu müssen. Arsenie war fast nicht zu erkennen, doch das weißblonde Haar wirbelte im Luftstrom wie eine farblose Flamme. Es war ihr anscheinend keine Zeit geblieben, sich die Fliegerkappe
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