Die Mächte des Feuers
zog die Nase hoch. »Es wird Zeit für Resultate.«
Grigorij grinste und verbarg sein leises Lachen in einem künstlichen Hüsteln, auf das der Prior aber sogleich reagierte.
»Was möchten Sie mir damit sagen, Fürst?«
»Dass ich Sie für einen eingebildeten Besserwisser halte«, antwortete er ehrlich. »Sie sind der Meinung, dass Sie den schwarzen Drachen schon lange besiegt hätten und wir uns deswegen erst gar nicht in dieser Lage befänden.«
Prokop sah zu Silena. »In der Tat. Das bin ich. Erzbischof Kattla zögerte zu lange, mich in das Amt einzusetzen.« Dann wanderte der Blick aus den graugrünen Augen zurück zum Fürsten. »Wenn ich es recht bedenke, benötige ich Ihre Hilfe nicht mehr. Sie können gehen, sobald der Damm passierbar ist. Das sollte in einer halben Stunde der Fall sein.«
»Prior, wir brauchen den Fürsten…«
»Wofür, Großmeisterin?«, donnerte er sie an. »Um einen Drachen ausfindig zu machen? Wohl kaum. Wir sind das Officium, und ich brauche keinen Mann in meinen Reihen, der sich weigert, meinen Befehlen zu gehorchen, und sich wie ein aufsässiges Kind benimmt. Er wird uns nicht nach Michael's Mount begleiten, und sollte er mir wieder begegnen, lasse ich ihn von der örtlichen Polizei abführen.«
Grigorij erhob sich von seinem Stuhl, nahm Silenas Hand und gab ihr einen vollendeten Kuss darauf. Sie spürte, dass darin mehr lag, und auch sie fühlte erneut das Kribbeln im Magen, das nicht von der Fischsuppe herrührte.
»Wir sehen uns wieder, Großmeisterin. Schon bald«, flüsterte er zum Abschied und verließ den Raum.
Im ersten Moment hatte sie aufstehen und ihm folgen, ihn zum Bleiben überreden wollen, dann aber wurde sie sich gewahr, dass sie damit gegen den Befehl ihres Vorgesetzten verstieß. Und mehr von ihren geheim gehaltenen Gefühlen zeigte. »Das war kein guter Zug, Prior«, meinte sie.
»Überlassen Sie mir das Denken.« Er zeigte auf die Tür. »Sie werden im ehemaligen Dormitorium erwartet. Bis Sie fertig sind, sind unsere Schiffe da, die uns nach Cornwall bringen.«
Sie runzelte die Stirn. »Fertig? Womit?«
»Mit Ihrer Untersuchung.«
Silena begriff die Worte nicht. »Sollten Sie es vorziehen, in ganzen Sätzen zu sprechen, Prior, könnte ich verstehen, was Sie meinen.«
»Das müssen Sie nicht, Großmeisterin.« Prokop wischte sich den Mund mit einer Serviette ab. »Sie handeln nach meinen Anordnungen, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie augenblicklich in das einstige Dormitorium gehen und mit den Leuten sprechen, die Sie erwarten.«
»Ich habe Ihnen einen Bericht…«
Er schleuderte die Serviette auf den Tisch. »Gehen Sie, Großmeisterin!«
Wütend stand sie auf und verließ das Zimmer. Sie wandelte durch das einstige Kloster, bis sie vor dem Raum stand, in dem einst die Mönche geschlafen hatten. Vor der Tür standen zwei Bewaffnete, einer öffnete den Eingang und ließ sie hinein.
Silena betrat den großzügigen Raum und stand vor einem quergestellten, langen Tisch, hinter dem zwei Männer und eine Frau in schwarzen Anzügen saßen; die weißen Kragen und das Kreuz am Revers verrieten, dass es sich um Geistliche handelte; auf ihrer Seite stand ein Stuhl. Das Licht der aufgehenden Sonne brach durch die Scheiben und beleuchtete sie von hinten, sodass ihre Gesichter unkenntlich blieben und Silena blinzeln musste.
»Setzen Sie sich, Großmeisterin«, wurde sie aufgefordert, ohne dass der Mann sich ihr vorstellte. Keinerlei Freundlichkeit lag in seiner Stimme. »Wir werden Ihnen einige Fragen zu Eris Mandrake stellen, zu dem Sie einen langen und auch privaten Kontakt hatten, wie uns zugetragen wurde.«
Die Frau lehnte sich nach vorne und verschränkte die Finger, ihre Nägel reflektierten den Sonnenschein. »Es gibt einige Menschen im Officium, die darüber sehr besorgt sind. Wir möchten deren Sorge zerstreuen, Großmeisterin. Helfen Sie uns dabei mit ehrlichen Antworten.«
Silena schluckte. Sie befand sich vor einem Tribunal der Inquisition. »Ja«, wollte sie sagen und krächzte stattdessen unverständlich. Kein guter Anfang.
26. Februar 1925, Marazion (Cornwall), Königreich England
Silena saß mit einer Decke um die Schultern auf einer Anhöhe am Strand und betrachtete die kahle Insel, auf der bis vor einigen Wochen noch der Saint Michael's Mount gestanden hatte. Jetzt erhoben sich Gerüste wie abgestorbene kahle Äste, Planen flatterten im Wind; teilweise hatten sie sich gelöst und waren davongeflogen.
Die Anwohner von Marazion und
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