Die Mächte des Feuers
in ihren Sitz. »Jetzt habe ich doch Angst«, meinte sie grinsend und sah zu der kleinen Schar der Ausgestoßenen, die mit ihnen reiste.
Sie hätte es schon viel früher merken können, dass Kattla und Prokop sie vor dem Michael's Mount abgeschoben hatten. Die Namen ihrer Truppe lasen sich wie eine Liste von Aufrührern und aufgeblasenen Angebern:
Großmeister Ademar stand im Verdacht, mehrmals mit Drachenjägern zusammengearbeitet zu haben, Brieuc hatte sich geweigert, die Anordnungen des Königs von Spanien zu befolgen, und war allein in den Kampf gegen einen Drachen gezogen, der daraufhin die Gegend verwüstet hatte – weil er verwundet entkommen war. Donatus sollte sich sogar an Drachenhorten bereichert und Kunstgegenstände für sein eigenes Haus entwendet haben. Dennoch waren es allesamt hervorragende Drachentöter und Kämpfer, die man unmöglich aus dem Officium verbannen konnte: Sie würden sich sofort auf die Seite der mundanen Jäger begeben.
Wie Silena.
»Was hat Kattla bei deinem Telefonat gesagt?«
Sie sah dem Russen in die blauen Augen, und das Kribbeln im Magen kehrte auf der Stelle zurück. »Nichts. Ich hatte ihn nicht erreicht, sondern nur Kleinhuber am Apparat. Eine Lüge, um sich nicht erklären zu müssen, schätze ich.« Ihre Wut war maßloser Enttäuschung gewichen. »Er weiß, dass es nicht richtig ist, mich so zu behandeln. Ein schlechtes Gewissen macht stumm.«
Grigorij hob den Becher, und die Dame brachte ihm frischen Kaffee. »Demnach sind wir ohne die Zustimmung des Officiums unterwegs?«
»Es gibt weder eine klare Verneinung noch eine Ablehnung. Kleinhuber hat getobt und mit allen möglichen Dingen gedroht, danach hat er versucht zu argumentieren. Ich konnte jedoch alles entkräften. Schließlich musste er zugeben, dass ein Heer nach Kiew unterwegs ist und zum Triglav vorstößt.« Sie schüttelte den Kopf. »Mich einfach in Cornwall zu lassen. Dabei benötigen sie jeden von uns.«
»Das Officium wird sich noch nicht im Klaren darüber sein, wie gefährlich die Lage ist und wie viele Verbündete Mandrake tatsächlich besitzt. Es werden sie einige Drachen erwarten, und vielleicht hat er bis dahin sogar die Gargoyles vom Bann befreit.« Grigorij bekam Kaffee gereicht, er kippte Milch und Zucker hinein.
Vor Silenas innerem Auge sah sie das Heer gegen ein nicht minder großes Heer aus Teufeln und ihren erwachten Dienern ziehen. »Wir werden mehr benötigen als die dreihundert Kämpfer«, ahnte sie.
Er berührte sie am Arm. »Zuversicht, Silena. Bewahre dir diese, sonst brauchen wir nicht anzutreten. Gegen die Drachen auf dem Mont-Saint-Michel haben wir gesiegt. Und das waren schon gefährliche Biester.«
»Leider nur zu spät.«
»Wir hatten eine Verräterin in den eigenen Reihen. Dagegen ist jede Streitmacht der Welt machtlos.« Er deutete auf eine Bergkette am Horizont. »Weißt du, dass der Triglav ein ganz bekannter Berg ist?«
»In Kiew vielleicht.«
Grigorij lachte. »Nein, beinahe auf der ganzen Welt. Wer Modest Mussorgsky und seine Nacht auf dem kahlen Berg kennt, kennt auch den Triglav.«
Sie dachte nach. »Ich weiß nicht, ob…«
Er schmetterte ansatzlos das Hauptthema des Stückes und wirbelte mit den Armen, als sei er der Dirigent eines großen Orchesters.
Ademar drehte sich zu ihm um. »Die Nacht auf dem kahlen Berg? Ist das eine Botschaft?«
»Genug, Grigorij!«, lachte Silena. »Du hast dein Ziel erreicht. Wie du siehst, bin ich ungebildet genug, nichts darüber zu wissen.« Sie senkte die Stimme. »Selbst Ademar hat erkannt, was du da so schön schräg gesungen hast.«
»Das war nicht schräg, das soll so sein. Frag Mussorgsky, was er sich dabei dachte«, gab er zurück. »Der Triglav ist ein absolut ödes, totes Stück Fels, ein Berg mit flacher Kuppe, auf dem sich in den Legenden schon immer Teufel, Hexen und Dämonen in Sturmnächten getroffen haben. Mussorgskys Stück bringt das sehr schön zum Ausdruck. Wir sollten, wenn das alles vorbei ist, gemeinsam ein Konzert besuchen, dann wirst du sehen, was ich meine.«
»Ich weiß nicht, ob ich nach dem, was uns bevorsteht, den Namen Triglav noch einmal hören möchte.« Silena schenkte ihm einen freundlichen, warmen Blick. »Aber wir können dennoch gerne ins Konzert gehen.« Ihr Herz pochte etwas schneller, als sie sagte: »Es würde mich sehr freuen.«
Er verneigte sich und gab ihr einen Handkuss. »Auch mich freut es, Silena.« Er räusperte sich. »Um noch einmal auf den Berg zurückzukommen: So
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