Die Mächte des Feuers
Silena, dann zum Russen. »Jedenfalls müssen wir verhindern, was geschehen könnte.« Sie streckte die Hand aus. »Was immer dafür zu tun ist, ich bin dabei.«
Silena schlug ein. »Sie haben mir damit sehr geholfen. Nicht jeder hätte meiner Geschichte Glauben geschenkt.«
»Keiner könnte so lügen.« Leida grinste. »Außer mir vielleicht. Wie gehen wir vor?«
»Ich hoffe einfach, dass es uns gelingt, den Weltenstein vor allen anderen in unseren Besitz zu bringen. Dann ist schon viel erreicht. Sollten unsere Einheiten allerdings aufgerieben werden und es sich abzeichnen, dass der schlimmste Fall eintreten wird, brauchen wir einen Ersatzplan.«
Leida nickte. »Mir ist klar, was Sie meinen.« Sie stand auf, schlüpfte in die Kleidung und bereitete sich zum Aufbruch vor. »Damit ist die Nacht für mich zu Ende. Ich hoffe, dass ich genug Kaffee bekomme, um in der Schlacht die Augen offen halten zu können.«
Grigorij langte in seine Westentasche. »Ich hätte da etwas Besseres, Misses Havock. Ich brauche es nicht mehr.«
10. März 1925, Kiew, Zarenreich Russland
Silena schritt durch die menschenleeren, dunklen Straßen Kiews. Nur selten entdeckte sie ein Licht hinter den Fenstern, denn wenige Menschen waren in der Stadt geblieben. Wind wehte lose Blätter umher und jagte die Wolken am Himmel davon.
Sie hatte gehofft, dass es nicht regnete, denn sonst wäre ein Luftkampf nicht eben leichter. Ihre Lederkleidung knirschte, und sie bewegte sich etwas ungelenk, weil sie über ihrer Fliegerkombination noch einen Anzug aus Drachenhaut trug, der ihr zusätzlichen Schutz vor möglichen Flammen bot. Die Saint besaß zwar eine geschlossene Kanzel, aber sie konnte durchaus zerstört werden.
Silena blickte nach Osten, wo sich der Himmel erhellte. Die Sonne verkündete ihr Nahen mit einem zarten Rosa, und sobald sie richtig zu sehen war, würde der Tanz beginnen. Ihr fehlte jegliche Vorstellung, wie ein Massengefecht gegen Flugdrachen verlief. Bei einem einzelnen Gegner war es überschaubar, aber umringt wie von einem Bienenschwarm, hatte sie noch nie gekämpft.
»Siebenundzwanzig«, wiederholte sie die Zahl der heute gesichteten Drachen auf dem Triglav und zog die Handschuhe fester. Ein Höllentanz mit Dämonen und Teufeln auf dem kahlen Berg.
Grigorij hatte es sich nicht nehmen lassen, eine Schallplatte aufzutreiben und ihr Mussorgskys Stück vorzuspielen. Es passte. Es passte unglaublich gut zu diesem Stück Fels und zu dem, was sich darauf abspielte.
Silena erkannte die Saint, die startbereit am Ende der breiten Straße auf sie wartete. Die Bodencrew, die ihr der Erzbischof gesandt hatte, traf soeben die letzten Vorbereitungen und hielt darin inne, um die Drachentöterin salutierend zu grüßen.
Sie ließ es sich nicht nehmen, die wichtigsten Teile der Saint selbst zu inspizieren, darunter auch die Lanzenhalterung und die drei Lanzen, mit denen sie sich in den Kampf gegen die Drachen stürzte. Drei Versuche hatte sie, danach musste sie landen und neue Lanzen laden; dass die an den Tragflächen montierten Sirenen eine verstörende Wirkung auf die Wesen hatten, war bereits unter Beweis gestellt worden.
»Wo sind die Explosivspitzen für die Lanzen?« Silena sah auf den Fallschirm, den man ihr reichte, und lehnte ab. »Nein, den benötige ich nicht.«
Der Mann sah sie entsetzt an. »Großmeisterin, in dieser Schlacht mehr denn je!«
Sie lächelte. »Ich gehe davon aus, dass ich gegen die Teufel gewinne. Wenn nicht«, sie tippte gegen den Fallschirm, »wird der mir auch nichts mehr nützen.« Sie schwang sich in die Kanzel. »Die Explosivspitzen?«
»Es gab Schwierigkeiten bei der Herstellung. Sie werden mit den herkömmlichen vorliebnehmen müssen.«
»Na, das passt aber hervorragend.« Sie zog das große Kabinenfenster zu und verriegelte es von innen. Auf Knopfdruck erwachten die Heckmotoren und versetzten die Propeller in Drehung. Erst als sie merkte, dass die Saint nach vorne drückte, löste sie die Bremsen und gestattete ihr, Fahrt aufzunehmen.
Silena beschleunigte, bis die notwendige Geschwindigkeit erreicht war und sie die Nase der Saint nach oben zog.
Gleichzeitig spürte sie das geliebte Kribbeln im Bauch, das sich jedes Mal einstellte, wenn sich Maschine und Erdboden voneinander trennten und sie in das Element Luft eintauchte. Hier galten andere Gesetze als am Boden.
Sie flog eine Schleife über Kiew, um sich die Stadt noch einmal anzusehen. Sie traute den Drachen durchaus zu, dass sie über sie
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