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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Drachen genauer. »Keine Kampfspuren, weder von Auseinandersetzungen mit deinesgleichen noch mit Drachentötern. Dein Hornpanzer ist jungfräulich.«
    »Ich bin gut im Kampf, Altvorderer. Und klug. Bisher gelang es niemandem, mich zu verletzen.«
    »Wie alt bist du?«
    »Neunundneunzig Jahre, Altvorderer«, antwortete Pratiwin.
    »Wie kommt es, dass du schon fünf Köpfe besitzt?«
    »Ich schlüpfte mit ihnen, Altvorderer.«
    »Wenn das kein gutes Zeichen ist. Ein von Leviathan Gesegneter«, lachte Vouivre. »Meinen Beifall findet er, wenn er Russland führen möchte.«
    Grendelson betrachtete ihn von der Seite. »Schwörst du, die Erfindungen der Menschen abzulehnen und sie rückgängig zu machen?«
    »Ja, Altvorderer.«
    »Die Erfindungen niemals selbst anzunehmen und die Tradition der Drachen fortzuführen?«, ergänzte Ddraig getragen.
    »Ja, Altvordere.«
    Iffnar gab einen Zischlaut von sich. »Bei deinem Leben?«
    »Ja, Altvorderer.« Jetzt hoben sich die fünf Köpfe nacheinander, die gelben Augen schauten den grünen Drachen ohne Furcht an. »Meinen Schwur leiste ich mit meinem Leben als Pfand.«
    Ddraig nickte zufrieden. »Soll er sich auf die Suche begeben, ohne dass wir unsere eigenen Bestrebungen vernachlässigen. Aber du«, sie wandte sich an den schwarzen Drachen, und ihre Stimme gewann an Schärfe wie die einer Kaiserin, »wirst uns unentwegt unterrichten. Sobald du Gorynytsch gefunden hast, rufst du uns. Allein wirst du ihn nicht besiegen, so gut und klug du sein magst. Oder«, sie klang spöttisch, »sein möchtest.« Sie schob ihn zur Seite, sofort wich er aus und machte ihr den Weg frei. »Ich kehre nach Wales zurück, die Winde stehen günstig für einen kurzen Flug. Wir hören voneinander.« Ddraig warf Vouivre einen langen Blick zu, dann verschwand sie.
    »Mir ergeht es ebenso«, sagte Iffnar und folgte ihr. Sein felsgrauer Leib schob sich aus dem Tor hinaus in den Schnee, wo er die kurzen Flügel ausbreitete und gegen die eisigen Winde abhob. Im Gegensatz zu Ddraig glitt er durch die Luft, die kleineren Schwingen erlaubten keine schnellen, wendigen Manöver.
    Als sich Vouivre und Pratiwin nach Grendelson umwandten, war der grüne Drache verschwunden. Er legte keinen Wert auf Freundlichkeit.
    »Du kennst deine Aufgabe, welche dir der Rat der Altvorderen übertragen hat«, betonte er nochmals vor den fünf Häuptern, die sich wieder verneigten. »Erfülle sie, und du bekommst, was man deinem Vater genommen hat. Du kennst die Regeln?«
    »Es geht um den Erhalt der Macht, nicht um deren bedingungslose Ausdehnung«, sagte Pratiwin, als habe er es schon endlose Male zitiert. »Wir kämpfen nicht gegeneinander, wir bleiben im Verborgenen, um die Menschen nicht aufzuschrecken. Ordnung bringt uns Macht, nicht das Chaos, Altvorderer.«
    »Sehr schön, Pratiwin. Du wirst deinem Vater alle Ehre machen.« Er zeigte auf den Ausgang. »Geh nun. Es gilt, Schlimmes für uns Drachen und unsere Vasallen zu verhindern. Gib dein Bestes. Bald kannst du diesen und viele weitere Horte dein Eigen nennen.«
    »Das tue ich mit Freuden, Altvorderer.« Der schwarze Drache richtete seine Köpfe auf und ging hinaus. Die hereinschießenden Winde verrieten Vouivre, dass Pratiwin abgehoben hatte.
    »Aber bis der Hort dein ist, suche ich diese köstlichen Trüffeln«, murmelte er und eilte durch die verlassenen Gänge.
    Natürlich war der Schwur eine Farce. Oder zurückhaltender ausgedrückt: Er besaß Lücken. Die Altvorderen rangen seit ihrer Entstehung um Macht, mit dem Unterschied, dass sie sich seit dem Mittelalter nicht mehr zeigten und ihre unwissenden Vasallen in den Krieg schickten. Sie hatten aus ihrer beinahen Ausrottung gelernt.
    Zu viel Präsenz war nicht gut.
    Vouivre folgte dem Geruch, der durchdringender wurde, je näher er der Küche kam. Er streckte den Oberkörper in den Raum, soweit er hineinpasste, und durchsuchte die Vorratsschränke.
    Tatsächlich entdeckte er drei Kisten Trüffeln. Rasch öffnete er eine, entfernte das Papier und schob sich eine faustgroße Knolle auf die Zunge; sie schmolz auf der Stelle und gab ihren unnachahmlichen Geschmack frei.
    Sogleich hellten sich seine trüben Gedanken etwas auf. Vouivre schmiedete neue Pläne für die Zeit nach Gorynytsch.

2. Januar 1925, München, Königreich Bayern, Deutsches Kaiserreich
     
    Ein lautes Schrillen beendete Silenas unruhigen Schlaf.
    Es war eine Trillerpfeife, die von einem Menschen mit einem unglaublichen Lungenvolumen geblasen wurde, und sie

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