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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Stundenkilometer, die das Automobil auf gerader Strecke erreichte, wirkten im Vergleich zu den Geschwindigkeiten der Macchi oder der Saint geradezu behäbig.
    Silena war wie elektrisiert, erlaubte sich keine Ruhe und sprang bei der Ankunft aus dem noch rollenden Wagen.
    Sie eilte ins Hauptgebäude, den kleinen Turm, der normalerweise zur Himmelsbeobachtung diente, wenn die Staffel ihn nicht als Luftleitstand nutzte, und telefonierte von dort aus mit Litzow. »Ich brauche das kleine Luftschiff. Wie schnell kann es hier sein, Hauptmann?«
    »Nun, sobald es startklar ist, in nicht mehr als zwei Stunden«, hörte sie die Stimme des besorgten Ingenieurs verzerrt und rauschend durch den Hörer. »Die Winde stehen gut.«
    »Dann los. Ich muss mit meiner Staffel nach London.«
    »Ein Spaziergang. Die Theben ist kleiner, dafür schneller als die Cadmos. Aber Sie wissen, Großmeisterin, dass sie nicht bewaffnet ist und über keine Landebahn verfügt. Weder für die Saint noch für eine herkömmliche Maschine.«
    »Hält sie Drachenfeuer ebenso stand wie die Cadmos?«
    »Ja. Aber nicht so lange.«
    »Das ist mir gleich. Her damit, Hauptmann. Vielen Dank.«
    Danach scheuchte sie ihre Staffel auf, ließ alles zusammenpacken und die Zelte abbauen. Als das Luftschiff heranschwebte, stand sämtliche Ausrüstung zum Einpacken in die Transportgondel bereit.
    Wenige Stunden später befand sich die Theben über Londons westlicher Vorstadt.
    Das dumpfe Pochen der Motoren zog sich durch die Gondel und war auch auf der Erde zu vernehmen. Viele Briten würden sich an die Schrecken des Weltkrieges erinnern, als die deutschen Luftschiffe tonnenweise Bomben abgeworfen hatten. Bis 1918 waren sie einundfünfzigmal über der Insel aufgetaucht und hatten aus über fünftausend Metern Höhe ihre tödliche Fracht abgeladen.
    Die breiten Strahlen von zwei Flakscheinwerfern flammten auf, schnitten helle Schneisen in den dunklen Nachthimmel und irrten suchend umher, bis sie die Außenhülle der Theben erfassten und beleuchteten; so wurde sie für Millionen von Augen sichtbar.
    »Verdammt!« Silena stand neben Litzow, der das Luftschiff selbst steuerte, und nahm das Funkgerät, um den Flughafen zu sprechen. »Hier ist die LS Theben mit der Staffel Saint George an Bord, Bodenkontrolle«, meldete sie sich auf Englisch. »Löschen Sie unverzüglich die Flakscheinwerfer. Wir haben nicht vor, der Belustigung der Londoner zu dienen.«
    »Sie hätten sich anmelden sollen, LS Theben«, erhielt sie Antwort mit wunderbar distinguierter englischer Betonung. »Wir hatten schon angenommen, der deutsche Kaiser sende uns einen Spion.«
    »Wir hatten uns angemeldet. Es ist nicht meine Schuld, wenn Ihnen die Mitteilung nicht weitergeleitet wurde. Sie haben unser Wappen auf der Hülle gesehen. Wir haben so wenig etwas mit dem deutschen Kaiser wie mit der Queen zu tun, Bodenkontrolle. Wir dienen der Menschheit, und auch die Queen hat die Vollmacht für das Officium Draconis unterzeichnet. Jetzt machen Sie unverzüglich die Lampen aus!«
    Zehn Sekunden später erloschen die Scheinwerfer, die Theben fiel zurück in die Dunkelheit und war von unten nichts weiter als ein zigarrenförmiger Umriss, der wie ein fetter Wal zwischen den Wolken und den Sternen schwebte.
    Silena schaute auf die vielen Lichter der Großstadt, während Litzow mit dem Fernglas in der Gondel auf und ab schritt. Ein Steuermann hielt das Luftschiff auf Kurs, ein zweiter Mann überwachte Höhe und Gasdruck. In den Motorgondeln saßen Techniker, um sich bei Problemen sofort um deren Lösung kümmern zu können; nicht zuletzt gab es Segelmacher, die bei Schäden der Außenhaut zum Einsatz kamen. Bislang war es jedoch eine ruhige Fahrt geblieben.
    Silena nahm das Fernglas zur Hand und suchte die Umgebung ab. »Ein Drache von diesen geschätzten Ausmaßen kann sich nicht einfach in einer Stadt verbergen, er benötigt ein geräumiges Versteck, beispielsweise eine leer stehende Halle oder einen alten, eingestürzten Bergbauschacht«, erklärte sie und legte das Fernglas wieder beiseite.
    Litzow räusperte sich. »Sie denken, dass der Drache in London geblieben ist? Weswegen sollte er das tun?«
    Silena horchte in sich hinein. »Es ist mehr ein Gefühl denn Wissen. Ich glaube, er sucht hier etwas.« Sie verspürte wenig Lust, ihre eigene Unsicherheit einzugestehen. »Es ergibt keinen Sinn, in die Nacht zu schauen. Wir werden morgen bei Sonnenaufgang aufsteigen und suchen, Hauptmann. Sie mit der Theben, ich mit

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