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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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drücke dem Drachen die Daumen«, lachte Sepp und steuerte den Phänomen durch Londons Straßen zurück zum Flugfeld.
    Ein helles Schimmern unter ihrem Hemd ließ sie nach dem Amulett greifen und es hervorziehen. Der Splitter der Georgslanze glühte. »Ach du…«
    Plötzlich sah Sepp nach links oben gen Himmel. »Großmeisterin!«, rief er aufgeregt und zeigte in die Luft. »Sehen Sie, der Drache!«
    Silena rutschte auf die linke Seite und starrte nach oben. Sie sah eben noch die pfeilförmige Schwanzspitze hinter den Dächern verschwinden, er musste ganz knapp über die Schindeln geflogen sein. Wollte er landen?
    »Hinterher, Sepp!«, befahl sie aufgeregt. »Er wird uns vielleicht zu seinem Versteck führen.«
    Der Mann trat das Gaspedal durch, der Phänomen röhrte auf und schoss die Straße entlang.
    Silena kümmerte sich nicht um das schlechte Wetter, sondern öffnete das Verdeck und stellte sich hin, damit sie den Himmel besser überblickte. Der Regen prasselte auf sie nieder, eisig stachen die Tropfen in ihr Gesicht, aber sie ignorierte es. Ihr Blick schweifte über die Dächer. »Komm schon, Scheusal«, raunte sie lockend. »Zeig dich, damit ich dich jagen kann.«
    Sie erspähte eine fünfköpfige Silhouette, die einen Teil der Sterne verdunkelte, während die Automobile um sie herum hupten und einige Fahrer Sepp beschimpften, der sich rücksichtslos durch den Verkehr wühlte und eine Kurve nach der anderen schnitt. Der Phänomen war schnell.
    »Rechts abbiegen!«, rief Silena und hielt sich an dem Vordersitz fest, um nicht aus dem Wagen geschleudert zu werden.
    Sepp lenkte den Phänomen um die Ecke, drosch den nächsten Gang mit einem Knarren rein und beschleunigte weiter.
    Jetzt sahen sie den Drachen genau vor sich. Er flog dicht über die Häuser hinweg, dann klappte er die Schwingen zusammen und stürzte sich wie ein Raubvogel in die Häuserschluchten.
    »Los, los, los!«, schrie sie.
    »Ich habe es gesehen, Großmeisterin!« Sepp wechselte rücksichtslos auf die andere Spur und lenkte den Phänomen in eine Gasse, die kaum breiter war als das Automobil. Als sie die Parallelstraße erreicht hatten, brachte er es zum Stehen, schaltete das Licht und den Motor aus. Es wurde schlagartig totenstill.
    Silena schaute sich um. »Wo ist er wohl abgeblieben?«
    Es war ein heruntergekommenes Viertel, dieser Teil Londons lag wie ausgestorben vor ihnen. Kein Mensch ließ sich blicken, nur zuckendes Kerzenlicht leuchtete hier und da hinter blinden Fensterscheiben auf. Die Elektrizität hatte diesen Straßenzug noch nicht erreicht.
    »Ich sehe ihn auch nicht, Großmeisterin.« Sepp setzte den Phänomen mit Schrittgeschwindigkeit in Bewegung, ließ ihn langsam rollen; sie folgten tuckernd dem Verlauf der Straße.
    Nachdem sie um eine Kurve gebogen waren, musste Sepp abrupt bremsen, sonst wäre er gegen die zerschmetterten Reste eines Schornsteins gefahren, die mitten auf der Straße lagen.
    Silena befahl ihm, hier zu warten, und sprang aus dem Wagen. »Der Drache ist hier irgendwo runtergegangen«, sagte sie und wischte sich das Wasser aus den Augen. »Ich halte nach seinem Versteck Ausschau und kehre gleich zurück.« Sie blickte nach oben und suchte das Dach, auf dem der Schornstein fehlte, dann betrat sie das Haus, vor dem sie gehalten hatten, und stieg die Stufen des Treppenhauses hinauf.
    Sie überlegte, während sie Stockwerk um Stockwerk erklomm. Flugdrachen waren recht leicht, auch wenn sie oft monströs wirkten, sobald sie ihre Schwingen ausbreiteten. Ein Trick, eine Drohgebärde, um die Menschen zu beeindrucken, in Furcht zu versetzen und in die Flucht zu schlagen. Dabei wogen die kleinen Exemplare nicht mehr als vierhundert Kilogramm. Aber dieser kapitale Fünfender, wie man ihn gemeinhin nannte, brachte garantiert mehr auf die Waage und konnte es nicht wagen, auf einem Dach zu landen.
    Silena öffnete die Dachluke und schwang sich hinaus, kroch zum First hinauf und hielt sich dabei an den Schornsteinen fest, die wie kleine Berge aufragten, aus deren Gipfel Rauchfahnen stiegen. Die Schindeln waren gefährlich glatt; der Wind zerrte an ihr und brachte den Ledermantel fahnengleich zum Wehen. Es wurde zunehmend schwierig, das Gleichgewicht zu halten.
    Der Regen kam in Schleiern aus den Wolken gestürzt, es gab keine trockene Stelle mehr an Silena, die sich auf dem Sims hin und her drehte und nach weiteren Anhaltspunkten Ausschau hielt. Einer der Schornsteine wies einen langen, tiefen Kratzer auf, und anhand des

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