Die Mächte des Feuers
überstanden.
Danach war es still, nur das Feuer, das sich über die Automobile, Ausrüstungsgegenstände und Leichname hermachte, knisterte und prasselte.
Bevor der Brand sich ausdehnte, fegte Iffnar mit dem Schwanzende Schnee auf die Flammen und löschte sie.
Ausgiebig züngelte er, sondierte die Gegend, ohne auf ein weiteres Lebenszeichen zu stoßen. Er war zufrieden mit dem, was er angerichtet hatte.
Dann spürte er eine Bewegung von einem schweren Lebewesen, das sich auf das Lager zubewegte. Der kleine Drache näherte sich dem Schauplatz, angelockt durch das Schreien und den Geruch des Blutes, der in der Luft schwebte. Selbst in der feinsten Dosierung vermochten die Nasen und die gespaltenen Zungen der Drachen diesen Duft wahrzunehmen.
Iffnar wartete, bis sein Artgenosse erschien.
Es war ein kleines, dunkelblaues Exemplar, nicht älter als zehn Jahre und länger als vier Meter, und somit die perfekte Beute für die Drachenjäger gewesen. Ein Männchen, ein reiner Laufdrache. Auf dem breiten Kopf saßen zwei Hörner, die roten Augen schauten alarmiert zu Iffnar, und er verharrte regungslos; gelegentlich schnellte die Zunge hervor. Hätte ein Mensch ausgedrückt, in welchem Alter und Entwicklungsstand sich der blaue Drache befand, wäre der Begriff Volksschüler gefallen.
Iffnar dagegen – nun ja, mehrere Professorengrade. Verstehst du mich?, fragte er.
Der blaue Drache zwinkerte mit den Augendeckeln, senkte den Kopf, schnaufte und duckte sich.
Du willst mich nicht wirklich angreifen?, lachte Iffnar ihn aus.
Doch der Blaue litt eindeutig an Selbstüberschätzung und sprang vorwärts – um die Zähne in einen Leichnam zu schlagen und ihn wegzuzerren.
Der Altvordere schnappte sich einen der fehlgegangenen Spieße und schleuderte ihn gegen den kleinen Drachen.
Der Stahl durchbrach die Hornschuppen an der Flanke und trat auf der anderen Seite wieder aus. Ich brauche dich, um meine Spuren zu verwischen. Er hob den nächsten Spieß auf, während er sich mit dem rechten Vorderlauf auf die Kette stellte und eine Flucht des Artgenossen verhinderte, der wie toll daran riss und zerrte.
Nach dem nächsten Treffer durch den Hals aber stürzte er zuckend zu Boden, ohne den Leichnam loszulassen, und zerfetzte ihn mit seinen spitzen, scharfen Zähnen; Gliedmaßen fielen ab, verteilten sich rings um ihn.
Iffnar wartete, bis die Pupillen des Blauen brachen, dann verteilte er noch mehr tote Drachentöter und Helfer um das kleine Exemplar und drapierte sie so, als habe ein grausamer, harter Kampf stattgefunden.
Schließlich verließ er das Lager und kehrte zu seinen Pferden zurück. Genussvoll öffnete er die Bauchdecke eines Fuchswallachs und machte sich daran, die Innereien zu verzehren, während sich der Himmel verfinsterte und sich graue Wolken versammelten. Wie von Iffnar bestellt, schütteten sie eine halbe Stunde später Schneeflocken auf die Erde herab und bedeckten seine verräterischen Spuren.
Niemand würde auf den ersten Blick auf die Idee kommen, dass ein Altvorderer hinter dem Massaker steckte. Bei einem zweiten Blick befände er sich längst an einem anderen Ort und würde mit Grendelson gemütlich Vouivres Auslöschung planen.
18. Januar 1925, Reichshauptstadt Berlin, Königreich Preußen, Deutsches Kaiserreich
Arsenie stand am Fenster und schaute hinaus, in den Händen hielt sie einen Telefonapparat.
Rund um das Brandenburger Tor pulsierte das Leben, rollten Automobile und Fahrräder, Fuhrwerke und Busse. Menschen liefen auf dem Pariser Platz umher, dick gegen die Kälte eingepackt, die Köpfe eingezogen und Schals, Mützen und Hüte tragend.
Arsenie erlaubte sich in den beheizten Räumen den Luxus, ihr dünnes, weißes Seidennachthemd zu tragen, das tiefe Ausschnitte vorne und hinten besaß. Kein Mann hatte bislang dieser Versuchung widerstehen können.
»Irmser, Gisborn und die gute Padasamam sind tot«, sprach sie bedächtig in das Mikrofon, während sie die separate Hörmuschel ans Ohr hielt. »Es scheint, jemand hat es auf uns abgesehen. Die Lehre von Dunglas Home soll ausgelöscht werden.«
»Denken Sie nicht ein wenig zu egozentrisch, Madame Sàtra?« Der Mann am anderen Ende der Leitung klang genervt. Genervt von ihr. »Die Zeitungen schrieben nicht darüber, aber auch wir haben Verluste erlitten. In den vergangenen zwei Tagen sind drei meiner Schüler verschwunden. Spurlos!«
Sie beobachtete, wie Berittene in prächtigen Militäruniformen und langen Reitermänteln durch das
Weitere Kostenlose Bücher