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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Demetrius verloren zu haben, doch dann fand es sich in einer Falte. Sie klammerte sich daran.

VII.
     
    »Ohne das Officium gäbe es Europa in seiner heutigen Form nicht. Wir verdanken der Organisation sehr viel, die ihren Dienst selbst dann nicht aufgegeben hat, als der Weltkrieg die Alte Welt erschütterte. Und wir bedauern die Toten unter den Drachentötern, die irrtümlich für Feinde gehalten wurden und durch das Feuer unserer Truppen starben.«
     
    Kaiser Wilhelm II. aus der Rede ›Vivat das Deutsche Reich!‹ vom 6. September 1921

18. Januar 1925, Spessart, Königreich Bayern, Deutsches Kaiserreich
     
    Iffnar streifte unter den schneebeladenen Ästen entlang.
    Er mochte den Spessart und den Geiersberg, auch wenn er im Grunde keine guten Voraussetzungen für ihn bot.
    Zum Abheben benötigte er einen erhöhten Punkt, er war mehr ein Gleiter als eine elegante Fliegerin wie Ddraig, und der knapp sechshundert Meter hohe Geiersberg erfüllte die Anforderungen nur gerade so.
    Aber die dichten Wälder rührten ihn, hier fand er Ruhe und genügend Nahrung, ohne dass Menschen ihn aufstöberten.
    Früher hatten sich die Räuberbanden im Spessart getummelt, als gehörte ihnen das Gebiet, bis er ihnen den Garaus gemacht hatte. Er hatte es nicht leiden können, dass die Gesetzlosen unzählige Soldaten nach sich gezogen hatten, die zwischen den Stämmen umhergestapft waren und seine Ruhe gestört hatten. Nachdem die meisten Räuberbanden gefasst und eliminiert worden waren, hatte er die Überlebenden schlicht und einfach zur Strecke gebracht und sie getötet. Seitdem gehörte der Spessart wieder ganz ihm; den Waldarbeitern ging er aus dem Weg.
    Iffnar wollte über Grendelsons Vorschlag nachdenken, an frischer Luft und mit einem schönen Blick auf die Wintersonne, die strahlend über dem Spessart stand. Seinem Spessart, den er sich von niemandem streitig machen ließ.
    Genau das aber versuchte ein kleineres Exemplar, ein Neuling von höchstens elf Jahren, wenn er die Spuren richtig gedeutet hatte. Er würde es heute aufstöbern und töten, bevor es durch ungestüme Taten an Menschen und Tieren die Drachenjäger und anderes Gesindel anlockte.
    Iffnar überlegte, wer von den vier Altvorderen die meisten Siege errungen hatte. Den bislang größten Erfolg in den frühen Jahrhunderten verzeichnete Grendelson, als er seine Wikinger ausgesandt und sich etliche europäische Reiche unterworfen hatte; die gefürchteten Drachenboote waren immerhin bis nach Paris und nach Sizilien vorgedrungen.
    Auch wenn Grendelson und er sich mehr als einmal ins Gehege gekommen waren, betrachtete er den Franzosen nach wie vor als seinen größten Gegenspieler. Die Französische Revolution hätte niemals stattfinden dürfen, Vouivre hatte sie nicht rechtzeitig niedergeschlagen. Aufklärung, Freiheitsgedanken, das hatten sie nun davon.
    Selbst der rasch aufgebaute Napoleon hatte das nicht mehr rückgängig machen können. Ganz im Gegenteil, der kleine Korse hatte sich Europa einverleibt und Vouivre unglaubliche Macht verliehen. Bis Russland ins Spiel gekommen war und Groszny sie vor dem gierigen Vouivre rettete.
    »Der Wurm muss sterben«, hatte Grendelson gesagt.
    Iffnar blinzelte in die warme Sonne und gab ihm Recht. Er hatte Vouivre 1871 eine herbe Niederlage mit seinen Deutschen zugefügt, was er ihm ebenso übel nahm wie die Siege im Weltkrieg. Aber so lief das Spiel, es war Schach mit vier Gegenspielern und unzähligen Figuren.
    Einen Gegenspieler werden wir von der Platte fegen, dachte er bei sich. Grendelson und er würden sich das Französische Reich teilen und Ddraig vor die Wahl stellen, ein Friedensbündnis einzugehen oder ihr nächstes Opfer zu werden. Er hielt die Drachin für klug genug, sich auf Ersteres einzulassen.
    Iffnar witterte den kleinen Drachen. Er schob sich durch eine Stelle, an der das Unterholz besonders dicht wuchs, und schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, ohne dass sein grauer, großer Leib oder seine Füße mit den Stämmen in Berührung kamen. Auch wenn gerade die großen Drachen, die am Boden lebten, nicht danach aussahen, besaßen sie eine Körperbeherrschung und eine Wendigkeit, die vielen Häschern zum Verhängnis wurde.
    Der Wind drehte, es roch unvermittelt nach Pferden und Menschen.
    »Jetzt!«, zerriss eine Männerstimme die Stille.
    Das Knallen von Peitschen erklang, Pferde wieherten, und an verschiedenen Stellen spritzte der Schnee in die Höhe, während gleichzeitig das Klirren und Rasseln von

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