Die Mädchen (German Edition)
die
Packung öffnete. „Erkläre es mir.“
„Er ist gerade aus dem Gefängnis
entlassen worden und schon sind wir da und befragen ihn wegen eines ganz
ähnlich gelagerten Verbrechens. Er muss doch befürchten, dass wir ihn gleich
wieder einbuchten. Ist doch klar, dass er da nichts sagen will.“
Roman kaute seinen ersten Bissen.
„Und du findest das schlau? Ich finde das nicht. Ich denke, er hat eine
Riesendummheit gemacht. Gerade wenn er Angst hat, hätte er uns gleich alles sagen
müssen, was er weiß. Eben sofort die Verdachtsmomente zerstreuen. Und was tut
er? Er schmeißt uns raus. Du bist der Meinung, das war ne spontane
Entscheidung. Ich würde eher sagen, er wusste, dass wir kommen würden und hatte
genau das von Anfang an vor.“
„Du glaubst doch nicht im Ernst,
dass er etwas mit Sinas Tod zu tun hat. Wo soll da die Verbindung sein?“
Roman wischte sich mit der
Serviette über den Mund. „Jetzt bis du aber naiv. Die können sich doch irgendwo
zufällig über den Weg gelaufen sein.“
Er schien ihren zweifelnden Blick
zu bemerken. „Ja, ja. Du hast ja Recht. Ich glaube eigentlich auch nicht, dass
es da einen Zusammenhang gibt. Vor allem nicht, weil Sina nicht vergewaltigt
wurde. Aber er kennt den Zeitungsbericht und da braucht er ja nur zwei und zwei
zusammen zu zählen, um Besuch von uns zu erwarten. Und er hat sich nicht für
eine Kooperation entschieden. Warum nicht? Ich finde das mehr als merkwürdig.“
„Ich bin da nicht so sicher.
Außerdem machst du da einen Denkfehler. Wenn er nichts mit Sinas Tod zu tun
hat, wieso sollte er dann mit einem Besuch von uns rechnen?“
„Stimmt. Wie blöd von mir.“
„Ich kann seine Reaktion schon
irgendwie nachvollziehen. Was wissen wir denn, wie man damals mit ihm umgegangen
ist? Ich würde mir zu gerne mal die Ermittlungsakten ansehen. Meinst du, das
ist möglich?“
Mehr als die Hälfte hatte er
bereits verspeist. „Klar“, sagte er hemmungslos mit vollem Mund. „Wieso nicht?
Nur, was hoffst du, da zu finden?“
Das hätte sie auch gern gewusst.
„Keine Ahnung. Er erinnert mich auch irgendwie an jemanden, ich weiß nur nicht
an wen. Jedenfalls hätte ich mir ganz gern einmal ein Bild von diesem Mann gemacht.“
„Der hat dich echt ins Grübeln
gebracht, nicht?“
Sie zuckte nur mit den Achseln.
„Außerdem ist da ja noch etwas anderes.“
„Ich weiß. Die Sache mit dem
Zeitungsbericht.“
„Tuchel hat Recht. Warum lanciert
jemand so einen Artikel? Da muss es doch jemand auf ihn abgesehen haben. Und er
gibt ja wirklich den perfekten Sündenbock ab.“
Den Burger vertilgt, hatte Roman
die Papiertüte samt Inhalt zusammen geknüllt und hielt in der Bewegung inne. „Aber
wenn das so gewollt ist, heißt das doch, dass der Mord an Sina Keller geplant
war.“
„Oder aber er kommt sehr gelegen.“
„Schön, also sollten wir
herausfinden, wer hinter dem Artikel steckt, denn da muss es eine Verbindung zu
Tuchel geben.“
Sie hatte Wort gehalten. Sie saß
direkt neben der Eingangstür und hatte eine Zeitung vor sich auf dem Tisch
liegen. Sie war jung, jünger als er und etwas vollschlank. Ihre roten Haare
trug sie kurz und es stand ihr gut. Sie hatte ein offenes Gesicht und ein
entwaffnendes Lächeln aufgesetzt, als er sich ihr näherte. Sie stand auf und
reichte ihm die Hand.
„Anna-Lena Doerner, freut mich, Sie
kennen zu lernen."
Ihr Händedruck war fest, aber ihre
Hand war leicht feucht. Aufregung oder ein generelles Problem?
„Christopher Tuchel, danke, dass
Sie für mich Zeit hatten."
Er setzte sich auf den Stuhl ihr
gegenüber mit dem Rücken zum Eingang. „Also, warum haben Sie den Artikel
geschrieben?"
Sie wich seinem Blick aus und
räusperte sich. „Hören Sie, es ist doch eine interessante Geschichte. Die
Menschen wollen doch wissen, was aus den Schicksalen geworden ist, über die man
mal berichtet hat."
Bullshit! „Danach klingt der Artikel
ganz und gar nicht."
„Nein?"
„Nein und das wissen Sie auch ganz
genau."
Frau Doerner erhob sich. „Es tut
mir leid, aber das alles hier war ein Fehler. Ich denke, ich gehe jetzt
besser."
„Du willst mich nicht mehr?"
rief er laut. Nicht originell, aber ihm war auf die Schnelle nichts Besseres
eingefallen und er erreichte, was er beabsichtigt hatte. Die Leute an den
Nachbartischen schauten verstohlen zu ihnen herüber, was ihr sichtlich
unangenehm war.
Sie setzte sich wieder. „Was soll
das?" fragte sie leise.
„Ich möchte Antworten und ich gebe
keine Ruhe,
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