Die Mädchen (German Edition)
Geldes
machen?“
„Mir fällt schon was ein. Pass auf
dich auf.“
Und schon war er wieder
verschwunden. Sie schüttelte den Kopf. Es war immer das gleiche mit ihm. Seit
er ein Kind war, hatte er immer in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt. Ob
es Probleme in der Schule waren oder mit den Nachbarn, weil er einen Ball durch
deren Fenster geschossen hatte. Als Jugendlicher waren es dann schon
schwerwiegendere Vergehen, von denen sie nicht mehr so viel mit bekam, da sie
längst verheiratet war und nicht mehr bei ihren Eltern wohnte. Schließlich war
sie achtzehn Jahre älter als er. Sie hatte oft überlegt, was der Grund für
diese Entwicklung war und vielleicht war es das.
Ihre Eltern waren schon Mitte
vierzig, als ihre Mutter noch mal schwanger wurde. Nachdem sie geboren wurde,
hatte man ihrer Mutter gesagt, dass sie keine weiteren Kinder bekommen würde
und dann war es doch noch dazu gekommen, als sie sich schon auf ihre
Wechseljahre eingestellt hatte. Überglücklich, dass sie doch noch ein zweites
Kind bekommen hatten, waren ihre beiden Eltern von Anfang an viel zu nachsichtig
mit ihrem Bruder, ließen ihm alles durchgehen. Er hatte nie gelernt, für seine
Fehler gerade zu stehen, weil er sich darauf verlassen konnte, dass seine
Eltern das schon alles wieder ausbügeln würden. Und das taten sie. Jedes Mal.
Bis zu dem Tag, an dem ihrem Vater auffiel, dass sein Ehering verschwunden war.
Als Maschinenbauer war ein Ehering
sehr unpraktisch bei der Arbeit, weshalb er ihn in einer Schublade im
Wohnzimmerschrank aufbewahrte. Ihm war sofort klar, was das bedeutete. Ihr
Bruder hatte gehofft, dass das Fehlen des Rings nicht auffallen würde und er
ihn rechtzeitig wieder eintauschen konnte, wenn er wieder zu Geld kam. Das war
nichts Neues, glaubte er doch immer, dass er irgendwann zu Geld kommen würde.
Er war auch immer davon überzeugt, dass er alles, was er sich lieh, auch wieder
zurückbringen würde, nur leider kam es nie dazu. Hierbei also auch nicht und
das war selbst für ihre Eltern zu viel. Sie warfen ihn aus dem Haus und hatten
mittlerweile seit über einem Jahr nicht mehr mit ihm gesprochen. Deshalb war
sie als seine große Schwester Anlaufstelle, wann immer es Probleme gab. Sie
hatte ihm geholfen, eine Wohnung zu finden und unterstützte ihn, natürlich ohne
Simons Wissen, ab und zu mit etwas Geld. Um eine Summe wie heute war es bislang
aber nie gegangen und ohne Simon davon zu unterrichten konnte sie die unmöglich
für ihn locker machen. Worin hatte er sich jetzt nur wieder verstrickt?
Ihr Blick fiel auf die Scherben.
Scheiße! Jetzt musste sie die erst mal wegmachen, bevor Simon das Malheur sah.
Sie schob die Tür auf und ging in die Küche. Das Wasser lief nicht mehr, aber
sie konnte die Lüftung im Bad hören. Gut, also war Simon wohl noch oben. Sie
ging eilig an den Schrank unter der Spüle, beugte sich hinunter und nahm
Handfeger und Kelle heraus. Als sie sich aufrichtete und umdrehte, bekam sie
das zweite Mal an diesem Abend einen ungeheuren Schreck, denn sie war nicht
mehr allein in der Küche.
„Was meinst du?“ fragte Roman, während er den Wagen rückwärts vom
Grundstück der Müllers lenkte.
„Er lügt oder zumindest verschweigt
er uns etwas. Wenn er wirklich so ahnungslos wäre und ein reines Gewissen
hätte, hätte er seiner Mutter längst davon erzählt, dass wir in der Schule waren.“
Roman sah in den Rückspiegel und
fuhr dann auf die Straße. „Das denke ich auch. Die Frage ist nur, was er uns
nicht sagen möchte.“
Doreen zeigte nach links. „Zu den
Tarnats geht es da lang.“
Roman bog links ab und Doreen ließ
ihren Blick in der Gegend umher schweifen. Es war ein ruhiges Wohngebiet mit
vielen allein stehenden Häusern und Doppelhäusern. Ein bisschen spießig, aber
durchaus gemütlich. Für sie war das nichts, aber sie konnte sich gut
vorstellen, dass es eine sehr geeignete Gegend für Familien war, um ihre Kinder
großzuziehen. Und was wusste sie, wie sie in zehn Jahren drauf sein würde?
Vielleicht war sie dann auch so weit, dass sie sich nach ähnlichen Häusern
umschaute. Na erstmal musste ein Mann her, bevor sie überhaupt an Kinder denken
sollte. Aber da war weit und breit niemand in Sicht, abgesehen von Timo, aber
das hatte ja nun wirklich keine Zukunft.
Roman kniff die Augen zusammen.
„Kannst du die Hausnummern erkennen?“
„Nummer achtzehn, zwanzig. Das muss
es sein.“ Doreen zeigte auf ein Doppelhaus auf der rechten Seite der
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