Die Mädchen (German Edition)
Straße.
„Der zweite Eingang müsste die Nummer 24 sein.“
Roman killte den Motor. „Meinst du
wirklich, wir haben hier mehr Glück?“
Doreen hatte keine Ahnung. „Ich
weiß nicht. Vielleicht. Jedenfalls ist die Chance größer, als wenn wir es
morgen noch mal in der Schule versuchen. Allerdings denke ich schon, dass wir
bei Rouven ohne seine Eltern mehr erfahren hätten. Hast du gesehen, wie
zusammengesunken er zwischen ihnen saß?“
„Ja. Ist mir auch gleich
aufgefallen. Wie ein Häufchen Elend saß er da. Ich denke, dass er etwas über
Merle weiß, wovon seine Eltern nichts wissen sollen.“
„Er war ziemlich ausweichend, als
die Sprache darauf kam, wie Merle sich zurechtgemacht hat, fandest du nicht?“
„Das kann aber auch nur heißen,
dass ihm gefallen hat, wie Merle herumlief. Du weißt doch, wie peinlich Jungen
in seinem Alter so was vor seinen Eltern sein muss.“
„Nicht nur Jungs.“ Doreen dachte
mit Grauen daran, wie ihre Eltern damals etwas über ihren Schwarm herausfinden
wollten. Es war nur furchtbar gewesen. „Ich finde, er hat generell sehr
ausweichend geantwortet.“
„Oder einsilbig.“
„Er wollte uns wohl nichts geben,
wo wir nachbohren könnten. Na ja, hoffentlich haben wir bei Jacqueline mehr
Glück. Und wenn sie wieder stumm bleibt, wissen ja vielleicht die Eltern auch
etwas, warum die beiden nicht mehr befreundet sind.“
„Apropos Eltern“, sagte Roman
nachdenklich. „Was sagst du dazu, dass Merles Vater gleich bei Müllers
angerufen hat, um über Rouven was rauszukriegen.“
„Das finde ich jetzt nicht so
merkwürdig. Väter haben doch meist wenig Ahnung, was mit ihren Kindern los ist.
Wahrscheinlich hat er gedacht, die beiden sind ganz dicke. Wo sie sich doch so
lange kennen.“
Roman zog den Schlüssel ab und ließ
den Gurt zurückschnellen. „Was ist? Wollen wir?“
Doreen nickte. „Lass uns.“
Sie stieg aus und ließ die Tür ins
Schloss fallen. Roman gesellte sich zu ihr auf den Bürgersteig und betätigte
die Zentralverriegelung. Sie öffneten die Pforte zur Nummer 24 und gingen über
dunkle Granitfliesen an einem gepflegten Rasen vorbei zur Haustür. Doreen
betätigte die Klingel und Vogelgezwitscher ertönte.
„Entzückend“, sagte Roman ironisch.
Es dauerte keine zehn Sekunden und
die Tür wurde aufgerissen. Jacqueline stand vor ihnen, mit geröteten Wangen,
barfuß und in T-Shirt und kurzen Jeans, in der Hand ein Geschirrtuch. Nach
ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, hätte sie ihnen die Tür am liebsten sofort
vor der Nase wieder zugeschlagen.
„Hallo Jacqueline“, sagte Doreen
mit bemüht sanfter Stimme.
Das Mädchen blieb stumm und
verringerte den Spalt der Tür. Nicht wirklich überraschend. Doreen seufzte
innerlich. Sollte es wieder so ablaufen wie am Morgen?
„Jackie, wer ist denn da?“ hörten
sie eine Frau rufen.
„Was wollen Sie hier?“ fragte
Jacqueline flüsternd mit zusammengepressten Lippen.
„Wir hätten da noch ein paar
Fragen. Dürfen wir hereinkommen?“
„Was ist denn?“ Hinter dem Mädchen
tauchte eine Frau auf, die wie eine ältere Ausgabe des Mädchens aussah und
ungefähr fünf Jahre jünger als Frau Müller war. Sie war knapp über einssechzig,
hatte blonde lange Haare und war schlank. Als sie Doreen und Roman sah,
runzelte sie die Stirn.
„Wer sind Sie, wenn ich fragen
darf?“
Doreen stellte sie beide vor und
sie zeigten ihre Ausweise, was die Frau veranlasste, ungläubig die Augenbrauen
hochzuziehen. „Mordkommission? Was ist denn passiert?“
„Dürften wir vielleicht
hereinkommen?“
„Natürlich, kommen Sie.“
Sie ließ sie herein und führte sie
anschließend in eine große Wohnküche, in der sie anscheinend dabei war, einen
Kuchen zu backen. Verschiedene Zutaten standen auf dem Tisch und ein Mixer, an
dessen Rührgeräten etwas Teig klebte, stand neben einer Plastikschüssel.
Jacqueline war ihnen gefolgt und
leerte die Geschirrspülmaschine.
„Nehmen Sie Platz“, sagte ihre
Mutter und wies auf die Sitzecke, die im bayrischen Stil gehalten war. „Ich bin
gerade fertig mit dem Teig. Kann ich Ihnen etwas anbieten?“
Sie setzten sich, lehnten dankend
ab und erklärten anschließend den Grund für ihren Besuch.
„Merle ist verschwunden?“ Die
Stimme der Frau klang ungläubig. „Und du wusstest davon?“
Jacqueline, die gerade eine
Schüssel in dem Hängeschrank über der Spüle verstaute, drehte sich zu ihr um.
„Ich habe heute in der Schule davon gehört.“
„Und warum hast
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