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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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üben, aber vielleicht würde sich doch noch
alles zum Guten wenden.
     
    Simon Grothe hörte, wie seine Frau
oben mit ihrer Tochter sprach. Dieser leichte Singsang in der Stimme ging ihm
auf die Nerven, weil er Cordulas Freude darüber ausdrückte, dass Merle wieder
da war. Er hätte anders mit seiner Tochter geredet. Sicher, auch er war froh,
dass jede Sorge sich als unbegründet herausgestellt hatte, aber er war auch
wütend auf sie, dass sie sie überhaupt hatte das Schlimmste annehmen lassen.
Vor allem ärgerten ihn die unnötige Kosten, die das ganze Drama für ihn und die
Firma verursacht hatte.
    Er hatte sich Merle eigentlich
schon am gestrigen Abend zur Brust nehmen wollen, aber aus Rücksicht auf
Cordula, die sich einen Ast freute, dass sie wieder da war, hatte er es
unterlassen. Eigentlich seltsam, dass er etwas seiner Frau zuliebe tat. Er
konnte sich gar nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas für sie getan
hatte. Aber irgendwie hatte er sich von ihr anstecken lassen und wollte ihr die
Freude nicht nehmen, die sie so selten ausstrahlte. Er hatte sich richtig wohl
gefühlt in ihrer Gegenwart und das hatte ihn mehr als überrascht. Was geschah
mit ihm? Wurde er weich?
    Als sie zu Bett gingen, war es das
erste Mal seit langer Zeit, dass er Cordula wirklich ansah, sie wahrnahm. Und
er stellte zu seiner Überraschung fest, dass er sie immer noch attraktiv fand.
Rational hätte er es sicher auch vor sich selbst abgestritten, aber seine
Erektion, die er bekam, als sie sich nackt das hellblaue Nachthemd
überstreifte, ließ sich nicht wegleugnen. Mit klopfendem Herzen hatte er noch
minutenlang neben ihr wach gelegen und über die Bedeutung dessen, was da eben
passiert war, nachgedacht. Er kam nicht dahinter. Am Morgen noch, als sie die
Polizei im Haus hatten und auch danach hätte er sie wegen ihrer weinerlichen
Tour am liebsten an die Wand geklatscht. Und jetzt? Was hatte diesen
Sinneswandel ausgelöst?
    Er konnte sich nicht daran
erinnern, wann es angefangen hatte, dass es schief lief zwischen ihnen. Er
hatte beruflich Karriere gemacht, während sie irgendwie stehen geblieben war.
Sie hatte sich um Merle gekümmert, aber darüber vergessen, dass sie eine Frau
war, die für ihren Mann weiterhin attraktiv bleiben sollte. Sie ließ sich gehen
und das ärgerte ihn. Je mehr er dagegen stichelte, desto weniger machte sie aus
sich und umso weniger Lust hatte er, mit ihr ins Bett zu gehen. Es war wie ein
Teufelskreislauf.
    Dass sie dachte, er hätte ein
Verhältnis mit Susi, allein der Name entsprach ja wohl jedem Klischee, machte
es auch nicht besser. Als ob! Er hatte sich stets geweigert, auch nur ein Wort
darüber zu verlieren, weil es einfach so lächerlich war. Susi war seine
persönliche Assistentin, mehr nicht und mehr würde da auch nie sein, aber seine
Frau hatte sich regelrecht in diesen Gedanken verliebt, er würde sie jeden
Nachmittag im Büro ordentlich durchpflügen, warum auch immer. Vielleicht weil
es bequem war, einen Sündenbock für ihr eigenes Versagen zu haben. Folglich
musste sie sich nicht mehr anstrengen, denn ihr Mann hatte sich ja ohnehin
schon etwas Neues gesucht, gegen das sie niemals ankommen konnte. Dass er Susi
mit ihren Riesendingern und den blond gefärbten Haaren nicht einmal annähernd
attraktiv fand, auf diese Idee kam sie nicht. Susi brauchte nur einmal ans
Telefon zu gehen und mit ihrer zugegebenermaßen sexy Telefonstimme etwas in den
Hörer zu hauchen und schon war für Cordula alles klar.
    Ihm war durchaus bewusst, dass es
in ihrer Ehe mehr als kriselte. Er kannte die Theorien zur Genüge, nach denen
eine Beziehung tot ist und auch nicht wiederbelebt werden kann, wenn der sexuelle
Funke nicht mehr glüht. Und bei ihnen glimmte nichts mehr, toter ging es nicht.
Statt mit Cordula zu schlafen holte er sich morgens, wenn er sich unbeobachtet
fühlte, unter der Dusche einen runter. Es war armselig, aber die Wahrheit, und
er stand dazu. Es war zumindest ehrlicher, als seine Frau mit einer anderen zu
betrügen, was viele an seiner Stelle ohne zu zögern getan hätten. Doch das kam
für ihn nicht in Frage. Solange er mit Cordula verheiratet war, hatte er sie
niemals betrogen.
    Warum aber beendete er dann diese
Farce von einer Ehe nicht und suchte sich eine andere Frau, mit der er
glücklich werden konnte? Die Frage hatte er sich selbst oft gestellt, doch zu einem
richtigen Ergebnis war er nicht gekommen. Vielleicht bedeutete der Satz bis dass der Tod euch scheidet ihm noch
etwas.

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