Die Mädchen (German Edition)
Womöglich hatte er das in seiner katholischen Jugend von seinen Eltern
eingetrichtert bekommen. Vielleicht liebte er Cordula auch immer noch und
hoffte im Stillen, dass es irgendwann besser werden würde.
Er warf einen Blick auf die
Küchenuhr, während er eine Scheibe Toast mit Erdbeermarmelade bestrich.
Eigentlich wartete im Büro niemand auf ihn, da er ja in Shanghai sein sollte,
aber da er nun einmal hier geblieben war, konnte er ruhig nach dem Rechten
sehen und seinem Kollegen vielleicht von dort aus Hilfestellung leisten.
Cordula hatte ihn zwar gebeten, die Gelegenheit zu nutzen und noch zu Hause zu
bleiben, aber wozu? Seine Tochter war wohlbehalten wieder aufgetaucht. Was
sollte er da zu Hause?
Seine Frau kam in die Küche, fertig
angezogen, was morgens sonst eher selten der Fall war. Sie war beschwingt, wie
er sie schon lange nicht mehr gesehen hatte und irgendwie rührte es ihn. Was
war das jetzt? Wurde er sentimental? Er schüttelte sich leicht und nahm einen
Bissen von seinem Toast.
„Und? Will das gnädige Fräulein
nicht mal herunterkommen?“
„Sie kommt gleich“, sagte Cordula
und begann, leise vor sich hin zu summen.
Irritiert beobachtete er sie, wie
sie ein paar Scheiben Schwarzbrot mit Wurst und Käse belegte und sie
anschließend in Butterbrotpapier einwickelte.
„Du machst ihr Brot?“
„Ja.“
„Findest du nicht, dass sie langsam
alt genug ist, sich das selbst zu machen?“
„Dann muss sie ja zehn Minuten
früher aufstehen“, lachte seine Frau.
„Würde ihr auch nicht schaden.“
„Ach komm, Simon. Ich bin doch eh
wach. Was möchtest du eigentlich mitnehmen?“
Er wurde rot. Da hatte sie ihn
erwischt. „Was du da hast“, murmelte er betreten. Er trank den Rest Kaffee in
seiner Tasse und füllte sich nach.
Sie stand noch eine Weile mit dem
Rücken zu ihm und setzte sich dann neben ihn. „Das ist deins“, sagte sie und
legte ihm eine Tupperdose neben sein Frühstücksbrett. „Mettwurst und Gouda.“
Er nickte und schmierte sich dabei
eine weitere Scheibe Toast. Er merkte, dass sie ihn beobachtete und sah sie an.
„Was?“
„Was ist mit uns?“
Er konzentrierte sich wieder auf
seinen Toast. „Was soll mit uns sein?“
„Haben wir noch eine Chance?“
Wie kam sie gerade jetzt darauf?
„Eine Chance worauf?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Ich
weiß auch nicht. Auf ein Leben? Auf Glück?“
„Wie kommst du jetzt darauf?“ Kurz
bevor er zur Arbeit aufbrechen wollte.
„Ich schieb das schon so lange vor
mir her. Und das mit Merle hat mir gezeigt, wie schnell alles vorbei sein kann.
Wir müssen uns einfach mal aussprechen. Vielleicht ist es ganz gut, dass du
nicht nach Shanghai geflogen bist.“
Er schob sein Brett von sich. „Du
bist nicht glücklich.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
„Nein und ich glaube, du auch
nicht.“ Sie stand auf und drehte ihm den Rücken zu. Wollte sie nicht, dass er
ihr Gesicht sehen konnte? „Weißt du, gestern Abend hab ich das erste Mal seit
langem gespürt, dass da noch etwas ist zwischen uns. Im Schlafzimmer gestern
Nacht, so hast du mich schon lange nicht mehr angesehen.“
Er sah betreten auf sein Brett. Sie
hatte es bemerkt. Aber wie hatte er auch daran zweifeln können? Sie war ja
nicht blind und sie kannte ihn seit mehr als fünfzehn Jahren. Dass sie sich voneinander
entfernt hatten, hieß ja nicht, dass sie verlernt hatte, seine Blicke zu
deuten.
„Ich weiß nicht“, sagte er und
seine Stimme klang in seinen Ohren seltsam belegt. „Was meinst du?“
Sie drehte sich zu ihm um und er
sah, dass ihre Augen feucht wurden. „Ich finde, wir sollten uns nicht aufgeben.
Ich denke, es lohnt sich für uns zu kämpfen.“
„Okay.“
Mehr bekam er nicht heraus. Mein
Gott, er hatte nicht gewusst, dass er so nah am Wasser gebaut hatte. Die ganze
Zeit hatte er den harten Kerl gegeben, dabei hatte es in ihm ganz anders ausgesehen.
Sie sah ihn mit großen Augen an.
„Einfach so?“ Es war, als ob sie es nicht fassen konnte, dass es so leicht
ging. „Aber was ist mit Susi?“
Er seufzte und schüttelte den Kopf.
„Mit Susi ist nie etwas gewesen.“
Es war klar, dass sie ihm nicht
glaubte. „Bitte Simon, ich muss das wissen. Wenn ich mich noch einmal ganz auf
dich einlassen soll, muss ich sicher sein, dass du für mich da bist.“
Er konnte ihre Verzweiflung spüren.
„Im Ernst. Susi ist nie mehr als meine Assistentin gewesen. Ich finde sie nicht
einmal attraktiv.“
Sie machte große Augen. „Wieso
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