Die Mädchen (German Edition)
ihm einen langen Kuss. „Und du bist nicht sauer?“
„Ich freu mich nicht, dass du
wegmusst, aber ich find es gut, dass du gehst.“
Es war eine widersprüchliche
Aussage, aber Glen wusste genau, wie er es meinte. „Ich mach es wieder gut,
versprochen.“
Philipp packte ihn am Hemdkragen,
zog ihn an sich heran und küsste ihn erneut. „Darauf nagel ich dich fest.“
Glen riss sich von ihm los. „So,
ich muss. Mann, ich hoffe echt, dass alles gut geht. Seine Frau ist supernett.
Und die beiden freuen sich so sehr auf das Kind.“
„Ich drück die Daumen. Schick mal
ne SMS.“
Zwei Minuten später saß Glen in
seinem Golf und fuhr von seinem gemieteten Parkplatz vor dem Haus die Auffahrt
zur Straße hinunter. Es war nicht viel Verkehr, aber trotzdem war es eine ganz
schöne Strecke von der Dornbreite Richtung Uniklinik. Ihm war ein wenig mulmig
bei dem Gedanken, Roman gleich gegenüber treten zu müssen. Er hatte keine
Ahnung, was er sagen sollte. Was erwartete er wohl von ihm? Und wieso hatte er
überhaupt bei ihm angerufen? Wenn er Gesellschaft brauchte, weil er es allein
nicht aushielt, warum hatte er dann nicht jemanden aus seiner Familie
angerufen? Na, vielleicht ging es Johanna ja schon wieder besser und es war
alles nicht so schlimm.
Er war immer noch nervös, als er
das Wartezimmer in der Notaufnahme betrat. Wie aufs Stichwort sprang Roman auf,
der außer einer Frau um die Fünfzig der einzige war, der sich dort aufhielt,
und kam auf ihn zu. Es war ein eigenartiger Moment, als sie sich gegenüber
standen und beide augenscheinlich nicht wussten, wie sie sich begrüßen sollten.
Glen fasste sich ein Herz und drückte ihn kurz an sich.
„Und? Erzähl, was ist passiert.“
Roman erzählte ihm, wie er
aufgewacht war und Johanna im Bad vorgefunden hatte. Er war blass und seine
Stimme war brüchig. Glen konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so nachlässig
gekleidet gesehen zu haben. Hätte man ihn gefragt, hätte er immer gesagt, dass
Roman so etwas wie Jogginganzüge gar nicht besaß. Er hatte sich wohl in aller
Eile angezogen und scherte sich offensichtlich keinen Deut darum, wie er
aussah. Ein Novum.
„Scheiße“, sagte Glen, nachdem er
fertig war. Er zeigte auf die Stühle an der Wand. „Wollen wir uns noch einen
Moment setzen?“
Roman ließ sich bereitwillig von
ihm zu den Stühlen führen und sie setzten sich. „Hat man dir schon was gesagt?“
„Nein“, presste Roman hervor. „Das
ist es ja. Ich sitze hier jetzt seit über einer Stunde und niemand redet mit
mir.“
Glen konnte sich vorstellen, dass
er auf glühenden Kohlen saß. Es ging um seine Frau, die sein Kind erwartete.
Klar, dass er da kaum geduldig auf Neuigkeiten warten konnte. Es musste
schrecklich für ihn gewesen sein, sie so im Bad zu finden.
„Danke, Glen.“
„Ach was, hör auf.“
Roman setzte sich seitwärts auf den
Stuhl, damit er ihn ansehen konnte. „Nein im Ernst. Ich find es ganz toll, dass
du hier mitten in der Nacht angefahren kommst. Dabei hast du dich sicher gewundert,
dass ich dich angerufen habe.“
Das konnte er laut sagen. „Du musst
mir nichts erklären.“
„Ich möchte aber.“
Glen drehte sich ebenfalls zu ihm
um. „Okay“, sagte er abwartend.
„Ganz ehrlich, Doreen und du, ihr
seid die ersten, die mir in den Sinn gekommen sind. Ich musste mit jemandem
reden und meine Eltern könnte ich jetzt echt nicht um mich haben. Und Johannas
erst recht nicht.“
Er machte eine Pause und sah
geistesabwesend an ihm vorbei. Wahrscheinlich dachte er an seine Frau, die im
Moment irgendwo in diesem Gebäude an irgendwelchen Schläuchen hing und womöglich
gerade operiert wurde.
„Mir fällt eben auf, dass ich
überhaupt keine richtigen Freunde hab. Traurig oder?“
Da schien was dran zu sein, wenn er
ihn anrief, der fünfzehn Jahre jünger war und nicht eben viel privat mit ihm zu
tun hatte. „Das stimmt ja nicht. Du und Holger…“
„Na ja. Wir waren Freunde, aber das
ist ewig her. Was wir jetzt sind, weiß ich gar nicht so genau. Wenn es um Johanna
geht, ist er für mich jedenfalls nicht der richtige Ansprechpartner.“
„Aber ich schon?“ Glen konnte seine
Zweifel nicht aus seiner Stimme halten.
„Definitiv. Ich wusste einfach,
dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Er wich seinem Blick aus. „Ich möchte
mich außerdem auch noch bei dir entschuldigen.“
„Wofür das denn?“
„Dafür, dass ich mich dir gegenüber
oft wie ein Arschloch aufgeführt habe.“
Das hatte Glen
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