Die Mädchen (German Edition)
„Halte durch. Ich bin sofort wieder
bei dir.“
Im Eiltempo verließ er das Bad und
schnappte sich das Telefon. Er wählte den Notruf, gab der Frau am anderen Ende
der Leitung ungeduldig alle Details und lief dann zurück zu seiner Frau. Dort
schlang er den Arm um sie und redete beruhigend, wie er hoffte, auf sie ein,
bis er den Rettungswagen kommen hörte. Eine Ewigkeit nach seinem Anruf, und er
hatte eine Heidenangst, dass sie zu spät kamen, um seiner Frau zu helfen und
das Kind zu retten.
„Das darf ja wohl nicht wahr sein“,
entfuhr es Philipp, als er aus dem Schlaf hoch schreckte, weil Glens Handy
klingelte. „Ist das bei dir immer so?“
Glen kniff die Augen zusammen und
sah auf den Radiowecker. Halb zwei. Verdammt, wer konnte das sein? Philipp
hatte Recht. Die zweite Nacht von dreien, die sie gemeinsam verbrachten, in der
sie in der Nachtruhe gestört wurden. Dass das in den letzten zwanzig Monaten
höchstens einmal vorgekommen war, würde er ihm wohl kaum abnehmen.
„Tut mir leid.“ Er griff nach
seiner Brille, die neben ihm auf dem kleinen Regal lag und setzte sie auf. Er
nahm das immer noch läutende und vibrierende Handy, doppelt hielt besser, und
warf einen Blick auf das Display. Roman. Das war ja noch nie vorgekommen.
Einigermaßen verwirrt nahm er das Gespräch entgegen.
„Hallo.“
„Glen?“
Er hörte die Panik in der Stimme
und war sofort hellwach. „Ja?“
„Ich hab schon bei Doreen versucht,
aber da ist nur die Mailbox angesprungen. Glen, ich weiß nicht, was ich machen
soll. Johanna ist im Krankenhaus. Sie wird gerade operiert. Man sagt mir
nichts.“
Glen war schon aus dem Bett
gesprungen und schwang sich in seine Unterhose. Philipp warf ihm einen
fragenden Blick zu, den er mit einer erhobenen Hand quittierte. Ein bisschen
Geduld, bis er das Gespräch beendet hatte, dann würde er ihm schon erzählen,
worum es ging.
„Wo seid ihr? Uniklinik?“
„Ja. In der Notaufnahme. Ich werd
hier noch verrückt.“
„Pass auf, Roman, ich bin gleich
da. Ich muss mich nur schnell anziehen und dann fahr ich los, okay?“
„Ist gut.“
Glen beendete das Gespräch und
beeilte sich, die anderen Klamotten zu finden.
„Was ist los?“ wollte Philipp
wissen.
Er streifte sich die Socken über.
„Die Frau meines Kollegen, die Schwangere. Sie ist im Krankenhaus. Notfall.“
„Scheiße. Kind verloren?“
Das war auch das erste, woran er
gedacht hatte. „Kann sein,“ sagte er, während er in seine Hose schlüpfte.
„Und da ruft er dich an?“ Philipp
zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Nach dem, was du mir erzählt hast, hätte
ich nicht gedacht, dass ihr so gut befreundet seid.“
Er auch nicht. „Sind wir auch
nicht.“
„Aber trotzdem fährst du hin.“
Glen hatte sein Hemd zur Hälfte
zugeknöpft und hielt in der Bewegung inne. „Wir sind keine engen Freunde, aber
das war ein Hilferuf. Den kann ich nicht ignorieren. Obwohl ich gar nicht genau
weiß, wie ich da helfen kann.“
Philipp lächelte ihn an und Glen
merkte, dass er ihn falsch eingeschätzt hatte. Er war ja gar nicht verärgert.
„Du bist toll, weißt du das?“
„Ach, hör auf.“ Verlegen schloss er
den obersten Knopf.
„Nein, ehrlich. Du bist jemand, auf
den man sich hundertprozentig verlassen kann. Und das hat dein Kollege
scheinbar auch schon gemerkt. Vielleicht sieht er eure Beziehung ganz anders
als du.“
Wenn ja, war ihm das bislang
entgangen. Na gut, die anfängliche Feindseligkeit war einer kollegialen
Zusammenarbeit gewichen. Sie waren sich privat ein wenig näher gekommen, seit
er bei der Renovierung für das Kinderzimmer geholfen hatte, und inzwischen
waren sie beim Du angelangt, aber ein richtig vertrautes Verhältnis
hatte sich trotzdem noch nicht aufgebaut. Dass er Roman jemals etwas über
seinen Freund erzählen würde, konnte er sich überhaupt nicht vorstellen. Bei
Holger war das anders. Okay, auch der hatte zunächst Hemmungen gehabt, aber
mittlerweile hatte Glen nicht mehr das Gefühl, sich bei ihm vorsehen zu müssen,
was er erzählte und was er lieber für sich behielt. Dass er ihm bislang nichts
von Philipp erzählt hatte, hatte einen anderen Grund. Bei Roman hätte er
jedenfalls immer befürchtet, Zielscheibe für irgendwelche Homowitze zu werden,
egal, mit wem er zusammen war.
Er zuckte mit den Achseln.
„Eigentlich wollte er Doreen, aber die hat er nicht erreicht.“
„Nun mach dich nicht klein.“
„Fertig.“ Glen beugte sich zu ihm
hinunter und gab
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