Die Mädchen (German Edition)
sind.“
Funke machte auf dem Absatz kehrt,
nicht ohne im Augenwinkel zu beobachten, dass Waldow kreidebleich geworden war.
Oh nein, das Gespräch war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack verlaufen.
Anna-Lena Doerner wohnte in einem
Block, der frisch renoviert worden war. Der Weg von der Straße zur Eingangstür
war mit kleinen Pflastersteinen belegt und am Rand mit ein paar Blumenbeeten
bepflanzt. Doreen stand mit Timo vor dem Haupteingang und suchte nach ihrer
Klingel. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, dass sie Timo half, aber er hatte
ihr Interesse geweckt. Was, wenn er wirklich Recht hatte mit seiner Vermutung,
dass Christopher diese Stella nicht umgebracht hatte? Außerdem hatte er mit
Erfolg an ihr schlechtes Gewissen appelliert. Sie fühlte sich mitschuldig
daran, dass Tuchel im Koma lag und vielleicht konnte sie zumindest etwas Gerechtigkeit
wieder herstellen, wenn es für ihn auch zu spät war.
Sie hatte Timo nicht gleich
zugesagt, dass sie ihm helfen würde, sondern sich eine Bedenkzeit erbeten. Sie
wollte eine Nacht darüber schlafen und dann entscheiden. Am Morgen war ihr
klar, dass sie ihrem Gewissen folgen musste. Als erstes hatte sie sich die
Akte, die jetzt endlich vorlag, unter den Nagel gerissen und in jeder freien
Minute darin geblättert. Dann hatte sie die Adresse der Doerner herausgefunden.
Während der Fahrt dorthin hatte sie ihn über das Wesentliche unterrichtet.
„Alles was vor Gericht gegen deinen
Bruder vorgebracht wurde, beruhte auf Indizien.“ Sie zählte an den Fingern ab.
„Er kannte das Mädchen und war dabei gesehen worden, wie er mit ihr die Party
verließ. Weitere Zeugen haben die beiden kurz danach auf der Straße gesehen,
nicht weit vom späteren Fundort der Leiche. Es stand zweifelsfrei fest, dass
Christopher mit dem Mädchen geschlafen hat,
scheinbar in seinem Wagen. D
d ass
sie tatsächlich vergewaltigt wurde, konnte hingegen nicht bewiesen werden.“
„Dann war sie womöglich
einverstanden?“
„Das lässt sich im Nachhinein
natürlich nicht mehr sagen. Und da sie letztendlich ermordet wurde, ging man
einfach davon aus, dass zuvor eine Vergewaltigung stattgefunden hatte, die vertuscht
werden sollte, auch wenn Untersuchungen an der Leiche keine Beweise dafür
ergeben haben.“
„Okay. Was hatten sie noch?“
„Die Tatwaffe. Ein Küchenmesser,
das aus dem Haus stammt, in dem die Party stattgefunden hat.“
Er nickte verstehend. „Also ging
man davon aus, dass er von Anfang an vorhatte, das Mädchen zu ermorden.“
„Na ja, oder sie mit dem Messer zum
Sex zu zwingen.“
„Und weil er ein Messer hatte, hat
sie sich nicht gewehrt und folglich gab es keine Spuren einer Vergewaltigung.“
„So hat die Staatsanwaltschaft
argumentiert.“
„Waren Fingerabdrücke darauf?“
„Nein. Aber man hat es vor dem
Block, in dem er mit seiner Mutter wohnte, im Mülleimer gefunden.“
„Wo es jeder hätte entsorgen
können.“
„Ja. Wie gesagt, es sind alles nur
Indizien. Die sind allerdings in ihrer Anzahl ziemlich erdrückend.“
„Wo hat man die Leiche gefunden?“
„In einer Hecke, nicht weit von dem
Haus entfernt, in dem gefeiert wurde und das wohl recht schnell, jedenfalls
noch in derselben Nacht. Stella war mit fünf Messerstichen getötet worden.
Deinen Bruder hat man
festgenommen,
als er in den frühen Morgenstunden nach
zu Hause
kam. Die Polizei wartete dort
bereits auf ihn,
festgenommen, nachdem Leute von der
Party ausgesagt hatten, dass er sich mit dem Mädchen verdrückt hatte.
Er gab an, in seinem Wagen eingeschlafen
zu sein, war auch noch alko
holisiert. Und an seinen Klamotten hat man Spuren
von Stellas Blut gefunden.“
„Scheiße. Das klingt nicht gerade
so, als ob er unsch
uldig
war.“
Doreen nickte mitfühlend. „Das sehe ich auch so.“
Scheinbar schlief
er gerade seinen Rausch aus.“
„Gab es nie andere Verdächtige?“
„Nein. Stella Panowsky war vierzehn
Jahre alt und alles deutete auf ein Sexualverbrechen hin. Dein Bruder war der
einzige, mit dem sie gesehen worden war.“
„Lass uns mal überlegen. Hatte sie
vielleicht einen Freund? Einen, der gesehen hat, wie sie mit Chris weggegangen
ist.“
„Und sie aus Eifersucht ermordet
hat? Kannst du vergessen. Stella hatte keinen Freund. Jedenfalls war das die
einhellige Meinung der Zeugen.“
So unwohl Doreen sich auch in ihrer
Situation fühlte, so spannend fand sie die ganze Sache auch. Und es machte
Spaß, mögliche Theorien mit Timo durchzugehen. Es war mal etwas
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